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Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Jahre andauernde Beziehung, die Georg wahrscheinlich nicht einmal als solche bezeichnen würde.
    Vor einiger Zeit hatte sie sich noch strikt geweigert, sich selbst in die Kategorie Single einzuordnen. Nun war es so weit: Sie war Single, seit fünf Wochen war Schluss! Endgültig. Georg hatte sie allerdings nichts von ihrer Entscheidung mitgeteilt. Irgendwann würde er es schon merken. Sie rief ihn nicht an, traf ihn nicht mehr, aber auch er meldete sich nicht. Das war nichts Außergewöhnliches, sie hatten manchmal wochenlang keine Zeit füreinander gehabt. Dann hatte es wieder geschehen können, dass sie sich drei Tage hintereinander trafen, zusammen kochten, aßen, erzählten und manchmal auch, selten genug, miteinander …
    Schluss damit!
    Sie hatte sogar seinen Namen auf ihrem Handy geändert. Er hieß jetzt nicht mehr Georg , sondern Denk nicht mal dran! . Es war besser so. Sie würde sich wie ihre Freundin Leah bei irgendeiner Partnerseite im Internet anmelden und sich dort mal umschauen. Kriminalistin, achtunddreißig, sportlich, erfolgreich, gebildet. Oder vielleicht doch lieber etwas erfinden: spontan, humorvoll, lebenslustig? Mein Gott, dann gehörte sie auch zu dem Heer Suchender, die sie sonst je nach Tageslaune milde belächelt oder genüsslich verachtet hatte.
    Eva stellte das Telefon um. Von diesem Moment an musste die Stumme Herzogin auf 217 mit den weiteren Eingängen alleine klarkommen. Warum verkroch die sich nicht besser zu den Rhesusäffchen in ein Forschungslabor, statt bei der Polizei zu arbeiten? Hatte man ihr beim Einstellungsgespräch nicht gesagt, dass man im Landeskriminalamt hin und wieder auch mit Menschen kommunizieren musste?
    Sie legte »In Sachen Uwe W.« mitten auf ihren Schreibtisch und sortierte die restlichen Akten in den Hängekorb, der gegenüber auf Silkes Tisch stand. Zwei Akten kamen bei »Vorziehen« unter, eine bei »Eilt!«. Eva mochte Silke, sie war nett, gut organisiert, aber natürlich längst weg.
    »Sorry!«, sagte sie immer und streckte die Hände in den Himmel wie ein Klageweib. »Ich hab auch noch Familie, ja?!« Klar, Familie ging vor. Familie ging früher, Familie feierte Weihnachten, während andere Dienst hatten. Familie beschwerte sich aber nachher, dass sie völlig fertig sei von all dem Gerenne.
    Eva fuhr den Computer herunter und warf noch einen schnellen Blick in den kleinen Spiegel, der versteckt hinter der Tür hing. Gesicht? Ging so. Vielleicht ein bisschen Kajal, um ihre Augen zu betonen? Falls jemand sie auf dem Nachhauseweg ansprach. Auf dem Fahrrad? Na sicher! Sie lachte ihr Spiegelbild an. In dem Licht der Neonröhre leuchtete die hellbraune Iris ihrer Augen fast orange, was wahrscheinlich auch an dem schwarzen Ring lag, der sie umgab. Viele Männer fanden ihre Augen schön. Georg auch. Vergiss ihn, verdammt. Frisur? Sollte sie den Zopf nicht mal aufmachen?
    Bei der Arbeit trug sie ihr schulterlanges kastanienbraunes Haar nie offen, zu Hause auch nicht und beim Volleyballtraining erst recht nicht. Eigentlich nur abends, im Bett.
    Denn alles andere war unpraktisch. Die Haare blieben zusammen.
    Eva fuhr mit dem Aufzug die sieben Stockwerke hinunter und holte ihren Polizeiausweis aus der Tasche. Grünert von der Mordbereitschaft kam ihr entgegen. »Schönen Feierabend, Wi… äh, Eva!« Eva wünschte dasselbe zurück und grinste verstohlen. Sie wusste, dass man sie hinter ihrem Rücken Black Widow oder kurz Widow nannte. Es war wegen ihrer Kleidung: Alles, was sie trug, war schwarz, auch im Sommer. Erstens stand es ihr – das glaubte sie zumindest –, und zweitens musste sie so morgens nicht lange überlegen. Heute trug sie ein schwarzes ärmelloses Top, in dem ihre sportlichen Arme gut zur Geltung kamen, und schwarze Marlene-Hosen, die nur an großen Frauen richtig gut aussehen. Und immer Schuhe mit Absätzen, zum Fahrradfahren zwar etwas umständlich, aber sie streckten das Bein so schön! Ansonsten schwarze Blusen, schwarze Hosen, schwarze Kaschmirstrickjacken, manchmal durch die hohen Schuhe vielleicht eine Spur zu elegant für den nicht sehr glamourösen Arbeitsplatz. Was sagte Brockfeldt immer, wenn er sie zufällig ohne den hochgeschlossenen wei ßen Laborkittel sah? »Falls ich Sie jetzt in die Oper einladen wollte, müssten Sie sich gar nicht mehr umziehen!«
    Eva zog den Ausweis durch die Stechuhr und ging in den Hof. Dort legte sie ein Klettband um das rechte Hosenbein. Das sah zwar bescheuert aus, ging aber nicht anders, wenn sie mit dem
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