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Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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können. Andererseits brauchte man keine zwölf Semester Biologie zu studieren und auch keine weiteren drei Jahre an einer Dissertation für den Dr. rer. nat. zu sitzen, um zu wissen, dass darin der Sinn der Evolution bestand. Der Sinn von Fitnessstudios, engen T-Shirts, coolen Sonnenbrillen, Cowboystiefeln und männlichem Gehabe: Erbgut weitergeben.
    »Da schaut der mich nur an. Sagt gar nichts mehr, und ich bin raus aus der Praxis, mit meinem perfekten Körper und meinem bis dahin sehr zufriedenstellenden, ausreichend großen, ach – egal, der mir bis dahin nichts von meiner Unfähigkeit verraten hat.«
    Ja, Georg war perfekt. Es klang albern, auch weil sie sich seit fünf Wochen so sehr bemüht hatte, ihn endlich aus ihrem Kopf und ihrem Herzen zu bekommen, aber was Attraktivität, Gelassenheit, Verlässlichkeit und Witz betraf, erzielte er jeweils die höchste Punktzahl.
    »Und nun? Was wolltest du mich fragen?« Ihr war klar, was jetzt kommen würde.
    »Na, was wohl? Wusstest du etwas davon? Ich meine, hat Milena dir irgendwas gesagt?«
    »Nein. Sie hat mir nichts gesagt, was denkst du denn? Bist du übrigens sicher, dass Emil uns nicht hört?«
    Georg nickte. »Ich habe ihm ausnahmsweise erlaubt, diesen japanischen Naruto-Mist zu gucken, da ist er ganz heiß drauf, und die Tür ist zu.«
    »Wirst du es ihm sagen?«
    »Wenn ich seinen richtigen Vater gefunden habe? Ich weiß es nicht. Ist das nicht meine Pflicht? Vielleicht. Ja, ich denke schon.« Er zuckte wieder mit den Schultern, hieb dann plötzlich mit der Faust neben die Rotweinpfütze auf den Tisch. »Verdammt!« Er rieb seine Hand. »Weißt du, wie weh das tut?«, fragte er leise. »Zu überlegen, wo sie es getan hat und mit wem? Ich liebe diese Frau, ich werde sie immer lieben, habe ich geglaubt. Doch nun habe ich nur noch vor Augen, wie wir Emil in Dänemark gezeugt haben. Gezeugt haben! Ha! In dem kleinen Häuschen in Nordborg. Habe ich jedenfalls immer gedacht. Alles gelogen.«
    Weinte er? Eva war nicht sicher. Danke, Milena, großartig! Die Überraschung ist dir so lange Zeit nach deinem Tod wirklich gelungen.
    »Ja, aber überleg doch mal, nach allem, was du mit Emil erlebt hast … Du hast ihn aufgezogen, warst immer da, du warst mehr Mutter für ihn als Milena. Von Anfang an.«
    Georg hatte die Augen geschlossen und presste seine Fingerspitzen an die Schläfen.
    »Du bist sein Vater! Wer denn sonst? Und was hast du davon, wenn …«
    »Was ich davon habe?! Mir kracht hier gerade meine ganze Welt zusammen, Eva, meine ganze heile Welt, wenigstens dachte ich, die fünf Jahre und neun Monate, die ich mit ihr hatte, wären die schönste, unbefangenste, heilste Zeit in meinem Leben gewesen. Da war nichts erzwungen, da war nichts anstrengend, nichts von ›Beziehung ist Arbeit‹ und diesem ganzen Mist! Bei uns war es anders!«
    Eva atmete tief ein und dann langsam wieder aus. Ihre Eifersucht war kein normales Gefühl, sie war ein Queckengewächs, das immer wieder kam, so oft sie ihr Gehirn auch umgrub oder versuchte, etwas Neues darüber auszusäen, um zu vergessen. Es war einfach nicht auszurotten. Sie schaute auf den Punkt zwischen Georgs Augen, um nicht dauernd auf seinen Mund zu starren.
    »Das waren Jahre voller Liebe und echtem Glück, um mal diese abgenutzten Worte zu gebrauchen. Hab ich zumindest geglaubt. Aber diesen Glauben kann ich mir jetzt ja wohl abschminken!«
    Eva nickte, denn sie verstand genau, was er meinte. Was blieb von seinen schönen Erinnerungen? Was von ihren? Die Idee, die sie von Georg und Milena im Kopf hatte, dieses Gebilde von Verschmolzenheit und süßer Harmonie schien zum ersten Mal falsch und machte dafür einem ganz anderen Bild Platz. Einem Bild von einem fremden Mann und fremden Betten, von geheimen Telefonaten, vielleicht sogar heimlichen Treffen, um dem kleinen Emil seinen richtigen Vater vorzustellen.
    »Wann?, Wann?, Wann?, frage ich mich schon seit Tagen. Ich hatte doch nie den geringsten Zweifel. Sie kommt mit diesem Zitronenkorb aus Positano in die Küche, frisch vom Dreh aus Italien, wir sehen uns, sind sofort fasziniert voneinander …«
    Ja, das konnte man schon erahnen, als ihr da eine Stunde lang verschlungen vor dem Kühlschrank geklebt habt, dach te Eva, und ihr Magen zog sich bei der Erinnerung leicht zusammen. Damals habe ich mich heulend über die Kloschüssel gehängt, aber leider nicht kotzen können, als ihr Hand in Hand die Party verlassen habt und dann gleich für die nächsten drei Tage
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