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Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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unter »Milena« bekannt geworden, wie Ma donna, Cher oder Adele. Ihren Nachnamen, Jakobi, kannten viele Leute gar nicht.
    Sogar ihre Eltern fanden die Idee toll, aber die fanden ja alles toll an ihrer jüngsten Tochter, nachdem sie berühmt und reich geworden war. Um Milena zu ärgern, hatte Eva seitdem nur noch den Namen aus ihren Kindertagen benutzt, wenn sie mit ihr sprach. Aus der Zeit, als Milena noch klein, dick und lieb, eben einfach nur ihre Milli gewesen war.
    »Milena. Meine Gedanken kreisen nur um sie.« Georg sprach immer noch. »Wie sie war. Was sie dachte. Wie ich denke, wie sie war – ach, ich rede Bullshit.«
    »Warum hast du es denn überhaupt getan?«
    »Meine Milena …« Er schüttelte den Kopf, hatte ihre Frage anscheinend wieder nicht gehört. »Ich muss herausfinden, wer es war! Möglichst bald, es geht mir einfach nicht aus dem Sinn.«
    »Verstehe ich nicht, so was macht man doch nicht eben mal so. Nur um Pia und Andrea einen Gefallen zu tun?« Eva drehte das Ende ihres geflochtenen Zopfes in den Fingern. Wie unendlich peinlich, sich zu schwören, ihn nie mehr sehen zu wollen – und dann, wenn auch nur wenige Sekunden lang, tatsächlich zu glauben, er mache ihr einen Antrag.
    Vergiss diese Szene ganz schnell, sagte sie sich. Pack sie zu dem Krempel in deine ganz persönliche Asservatenkammer. Für immer. »Die beiden sind gute Freundinnen von mir, sie lieben sich, sie sind einfach toll zusammen. Ich dachte … Ich dachte, es wäre … Na gut, ich fühlte mich geschmeichelt!«
    Eva sah ihn nicht an, stattdessen blickte sie weiterhin auf Dachziegel und verzinkte Fenstergauben. Es war ruhig hier oben weit über der Stadt, nur ganz leise konnte man das Rauschen des Verkehrs auf dem Mundsburger Damm hören.
    »Hier ist es doch viel zu ruhig für dich«, hatte sie zu Milena gesagt, als die ihr die Wohnung zeigte. Fünfter Stock, damals noch ohne Aufzug, den hatte die Eigentümergemeinschaft erst später einbauen lassen.
    »Viel zu ruhig und viel zu groß, du bist doch sowieso nie da.«
    »Dann kannst du doch hier sein«, hatte Milena geschnurrt und den Kopf an ihrer Schulter gerieben. Das hatte sie schon als Kind gemacht, kaum dass sie laufen konnte. Eva hatte es gehasst, weil sie sich dann nicht mehr gegen ihre Schwester wehren konnte. Es fehlte ihr. Sie fehlte ihr. Nicht zu fassen. Nach allem, was geschehen war, nach al lem, was Milena ihr weggenommen hatte, fehlte sie ihr. Immer noch.
    »Die beiden wollten also, dass du der Samenspender für ihr Kind bist.« Georg nickte mit gesenktem Kopf wie ein Angeklagter bei Gericht.
    »Und dann hat man festgestellt, dass in der Probe keine Spermien sind. Nicht zu wenig, nicht zu schwach, sondern gar keine.« Eva wiederholte den Satz, den Georg ihr erst vor ein paar Minuten hingeworfen hatte. Schock, Ungläubigkeit und Entsetzen über den Befund standen noch immer in seinem Gesicht.
    »Ich hätte das Klinefelter Syndrom, sagte dieser Arzt, dieser …« Georg zuckte mit den Schultern, sprang dann auf. »Ich dachte, der verarscht mich.«
    Eva zog die Augenbrauen hoch. Sie kannte die Symptome aus ihrem Biologiestudium: Ein X zu viel im Chromosomensatz, die Folge waren kleine Hoden un d / oder ein sehr kleiner Penis, Gynäkomastie, Antriebsarmut und natürlich Zeugungsunfähigkeit …
    »Dann hat er mir all diese grässlichen Symptome aufgezählt. Hören Sie auf, habe ich ihm gesagt, ich musste mich echt zusammenreißen, sonst hätte ich ihn noch lauter angebrüllt. Sie haben die Proben vertauscht, und irgendein armer Wicht denkt jetzt, er könne Kinder zeugen, obwohl er’s gar nicht kann. Denn ich«, Georg machte eine bedeutungsvolle Pause, »ich habe nichts von alledem. Gar nichts! Davon können Sie sich gerne überzeugen!«
    Mit einer ausholenden Handbewegung stieß er sein Glas um. Der Rotwein lief über den Teakholztisch und tropfte auf die Terrassendielen. »Scheiße.« Er stellte das Glas wie der hin. »Winziger Penis, ich meine, geht’s noch?! Das hätte ich ja wohl bemerkt.«
    Eva musste ein Kichern unterdrücken, ja, das hätte sie allerdings auch schon bemerkt. Georg setzte sich, er stützte seinen Kopf in die Hände und betrachtete die Weinlache vor seinem Platz. »Und außerdem bin ich Vater eines Sohnes, habe ich ihm gesagt, und das schon seit zehn Jahren!«, murmelte er.
    Eva sagte nichts. Mensch, Georg, da hast du was angerichtet, dachte sie. Nur weil du dich geschmeichelt fühltest, dein Erbgut an zwei freundliche Lesben weitergeben zu
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