Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opfermal

Opfermal

Titel: Opfermal
Autoren: G Funaro
Vom Netzwerk:
Händen heraus!«, rief er. Er hatte Angst und kam sich idiotisch vor. »Sie können nirgendwo mehr hin, Edmund Lambert!«
    Bist du dir sicher, dass er so heißt?, höhnte eine Stimme in seinem Kopf. Edmund Lambert? War das der Name, den das Mädchen gesagt hat?
    Wieder krachte ein Brett, dann ein Scharren.
    Markham schluckte schwer und begann an der Wand entlang zur Rückseite der Tabakscheune zu schleichen.
    Krck.
    Markham blieb stehen, lauschte.
    Stille wieder, nur sein Atem.
    Er drückte sich an der Wand entlang, glaubte, einen dumpfen Aufprall um die Ecke zu hören und blieb auf der Rückseite der Scheune stehen. Er sah das Feld, das sich jenseits der Bäume in die Ferne erstreckte, und hörte jetzt nichts mehr außer seinem eigenen Herzschlag in den Ohren. Der Pfähler war auf der anderen Seite der Wand, davon war er überzeugt, und er wirbelte um die Ecke und ging in die Knie.
    Nichts.
    Markham stand auf, sah, wo der Pfähler durch die Rückwand der Scheune gebrochen war und entfernte sich von der Wand. Eine alte Eiche stand nur einige Meter entfernt. Der Pfähler konnte sich dahinter versteckt haben, aber Markham hatte keine Schritte in dem trockenen Gras gehört.
    Und dann begriff er.
    Er fuhr gerade noch rechtzeitig herum, um den Pfähler von dem niedrigen Dach des Vorbaus springen zu sehen. Instinktiv riss er die Waffe hoch, aber der Pfähler prallte mit voller Wucht auf ihn, sein Unterarm krachte in Markhams Gesicht, und im selben Moment ging die Waffe los.
    Dann stürzten sie zusammen auf den Boden.
    90
    Er ist jetzt wieder Edmund Lambert, ein Junge auf der Straße, der zwischen dem General und dem Prinzen geht und ihre Hände hält. Er weiß, sie sind da, aber er unternimmt keinen Versuch, sie anzuschauen. Er versteht, dass er zu klein ist, um ihre Gesichter zu sehen, und hält die Augen auf das Licht in der Ferne gerichtet, während sie ihn an den Reihen der Gepfählten vorbeiführen.
    Doch die Schritte des Jungen sind ihre Schritte. Riesenschritte. Und ehe sich der Junge darüber wundern kann, hat er das Tempeltor in Kutha erreicht.
    Der Prinz und der General verlassen ihn. Der Junge spürt, wie sie ihre Hände wegziehen.
    Jetzt ist er allein. Jetzt ist da nur seine Mutter, die mit ausgestreckten Armen hoch oben am Ende der Treppe steht – eine Silhouette im Tempeleingang mit dem Licht einer Milliarde Sterne hinter ihr.
    »Sei ein braver Junge, und trag dieses Seil für mich«, sagt sie.
    »Es ist nicht meine Schuld«, antwortet der Junge. »Ich habe nur getan, was sie mir befohlen haben.«
    »C’est mieux d’oublier«, hallt eine andere Stimme von irgendwoher, und seine Mutter winkt ihn heran und entschwindet langsam ins Licht.
    Jetzt steigt der Junge die Stufen hinauf – schwarze Stufen, wie Reihen vergessener Bilder in einem Jahrbuch –, bis er plötzlich im Eingang steht, wie es scheint.
    Aber der Junge zögert, unsicher, ob er eintreten soll. Er hört die andere Stimme wieder – eine Männerstimme, die ihn an seine eigene erinnert –, aber er versteht nicht, was sie sagt. Zwei Worte, nur zwei Worte, aber die Stimme ist jetzt hinter ihm, weit unten in der Leere am Fuß der Treppe.
    Es spielt keine Rolle, denkt der Junge.
    Und dann macht er einen Schritt vorwärts in einen Dachboden voller Sterne.
    91
    Markham war überzeugt, dass er das Bewusstsein verloren hatte; er nahm undeutlich eine laute Explosion vor seinem Gesicht wahr, dann schoss ihm der Schmerz wie ein Funkenregen blutroter Sterne in die Nase und ließ ihn rückwärtstaumeln. Danach verschwommene Bewegung und ein lautes Summen, während es von den Rändern seines Gesichtsfelds her schwarz um ihn wurde, bis ihn das Blut in seiner Kehle husten ließ und ihn ins Bewusstsein zurückholte.
    Er drehte sich auf den Bauch, schüttelte sich die Spinnweben vom Kopf und spuckte ins Gras. Das Summen in seinen Ohren wurde von einem Läuten ersetzt; ein Teil seines Gehirns teilte ihm mit, dass seine Nase gebrochen war, während ein anderer seine Waffe registrierte, die ein kleines Stück entfernt lag. Instinktiv kroch er darauf zu und streckte die Hand nach dem warmen Lauf aus, als er plötzlich glaubte, inmitten des Läutens Schritte im Gras knirschen zu hören.
    Und Worte? Habe ich gerade jemanden reden hören?
    Markham drehte sich um und sah den Pfähler hinter der alten Eiche in die Wiese wanken. Er nahm seine Waffe und richtete sich auf. Ein heftiger Schmerz auf dem Nasenrücken ließ ihn schwindeln, aber er kam irgendwie auf die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher