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Opfermal

Opfermal

Titel: Opfermal
Autoren: G Funaro
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Beine und stolperte in Richtung des Baums. Er ging dahinter in Deckung, spähte um den Stamm und sah, dass der Pfähler langsamer geworden war. Er konnte ihn jetzt deutlich auf dem freien Feld sehen – nackt, etwa dreißig Meter entfernt, der muskulöse Körper von milchgrauer Farbe im Mondlicht. Er war unbewaffnet.
    Markham wirbelte hinter dem Baum hervor und richtete seine leere Waffe auf den Rücken des Manns. »Stehen bleiben oder ich schieße!«, rief er, aber der Pfähler schien ihn nicht zu beachten – er taumelte noch einige Schritte weiter und sank dann auf die Knie.
    Markham nahm die Waffe herunter und beobachtete fasziniert, wie der Mann auf der Wiese nach oben in die Luft zu greifen begann. Er mühte sich auf die Beine, und als er stand, hob er den linken Fuß und setzte ihn schnell wieder auf; er wiederholte die Bewegung mit dem rechten, dann mit dem linken, immer weiter als würde er eine imaginäre Treppe hinaufsteigen. Dann hörte er plötzlich auf, stand reglos da und fiel mit dem Gesicht voran ins Gras.
    Markham stürzte zu ihm und drehte ihn um, und er wich sofort zurück, als er das Blut aus dem Loch unter dem rechten Auge des Manns sprudeln sah. Ein gut aussehender Mann, dachte Markham mit plötzlicher Distanz, auch jünger, als er erwartet hatte – aber sein Atem ging flach, und seine Lippen bewegten sich, als versuchte er zu sprechen.
    »Es ist vorbei«, flüsterte Markham. Aber es war unverkennbar, dass ihn der Pfähler weder hörte noch sah; der Blick des jungen Manns schien an ihm vorbei zum Himmel zu gehen.
    »Komm zurück«, brachte er schließlich heraus. »Komm zurück.«

Epilog
    Zwei Wochen später, Einheit für Verhaltensanalyse des FBI , Quantico
    »Kaffee?«, fragte Gates und hob die Kanne an.
    »Nein, danke«, sagte Markham. »Ich rühre keinen mehr an.« Er stand mit den Händen in den Taschen da und sah zu der großen Wandtafel: Dutzende von Kopien von Zeitungsartikeln aus dem Keller des Pfählers.
    Gates nickte und stellte die Kanne wieder ab. »Ich wollte Ihnen gestern schon sagen, dass die Nase gut aussieht«, sagte er. »Allerdings muss ich zugeben, sie hat mir besser gefallen, als sie noch geschwollen war. Hat Ihnen eine gewisse Street Credibility verliehen.«
    Markham lächelte schmallippig, und Gates setzte sich. Er holte eins von Claude Lamberts Notizbüchern aus dem Stapel auf seinem Schreibtisch und lehnte sich zurück.
    »Lambert«, sagte er und schlug das Notizbuch auf. »Die Familiengeschichte in North Carolina geht bis ins späte 19. Jahrhundert zurück. Ursprünglich stammen sie aus Louisiana. Anscheinend wurden sie in dem Jahrzehnt nach dem Bürgerkrieg aus New Orleans vertrieben. Wir haben Unterlagen über ein Absinth-Lokal in der Bourbon Street gefunden, das zur selben Zeit gegründet wurde. Es scheint da eine Verbindung zu geben, eine Art Auseinandersetzung unter Geschäftspartnern, aber genau werden wir es wohl nie erfahren. In den Notizbüchern ist von einem Absinth-Rezept in der Familie Lambert die Rede, das Generationen zurückreicht. Der Alte hat schlicht eine Familientradition weitergeführt.«
    Markham nahm einen Zeitungsartikel zur Hand. »Claude Lambert war im Zweiten Weltkrieg Dolmetscher. Wussten Sie das?« Markham nickte. »Er war nach der Einnahme der Normandie durch die Alliierten eine Weile in Frankreich stationiert. Er hat wohl auch die Tradition hochgehalten, Französisch zu sprechen. Wir haben seinen Sohn im Gefängnis vernommen. Er sagte, sein Vater sprach nur Französisch, wenn er unten in seinem Keller herumexperimentierte. Er behauptet, er hätte nie wirklich verstanden, was da unten vor sich ging. Das Merkwürdige dabei ist, dass ich es ihm sogar glaube.«
    Markham sagte nichts, sondern überflog nur die Wandtafel.
    Gates klappte sein Notizbuch zu und legte es auf den Stapel zurück. Die Geschichte mit Schaap, die Sache mit dem Friedhof – Markham verstand nicht, wie er es übersehen konnte. Sicher, dachte Gates, angesichts der Größe des Friedhofs wäre es ohne den militärischen Zusammenhang ein blindes Stochern im Nebel gewesen, Abertausende von Namen, mehr als hundert Lamberts in der Stadt Raleigh allein. Wenn man dazu berücksichtigte, wie sie der Grabstein mit dem Namen Lyons verwirrt hatte – nein, die Chance, dass Schaap über den Pfähler stolperte, war buchstäblich höchstens eins zu tausend gewesen. Sie hätten ihn früher oder später gefunden, aber Schaap hätte nicht allein handeln dürfen. Dennoch – Gates
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