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Nick Stone - 04 - Eingekreist

Nick Stone - 04 - Eingekreist

Titel: Nick Stone - 04 - Eingekreist
Autoren: Andy McNab
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    Sonntag, 3. September 2000
    Ich wusste nicht, wen wir erschießen würden — nur, dass er oder sie zu den Gästen gehören würde, die ab 18 Uhr auf der Terrasse des Parlamentsgebäudes Hors d’œuvres mampften und Champagner schlürften, und dass der Jasager die Zielperson identifizieren würde, indem er ihr seine linke Hand auf die Schulter legte, wenn er sie begrüßte.
    Ich hatte im Lauf der Jahre schon manchen verrückten Auftrag ausgeführt, aber dieser Job machte mir Angst. In weniger als neunzig Minuten würde ich die Hosen gestrichen voll haben. Ich konnte nur hoffen, dass die Firma wusste, was sie tat, denn ich war mir nicht allzu sicher, ob ich es wusste.
    Als ich zum x-ten Mal auf die Lunchbox aus durchsichtigem Kunststoff hinuntersah, die vor mir auf dem Schreibtisch stand, starrten mir drei Taschenlampenbirnen entgegen, die aus Löchern ragten, die ich in den Deckel gebohrt hatte. Keine von ihnen brannte; die drei Scharfschützen waren noch nicht in Position.
    An diesem Job stimmte einfach nichts. Man hatte uns die falschen Waffen gegeben. Wir waren am falschen Ort. Und wir hatten einfach nicht genug Zeit gehabt, um das Unternehmen zu planen und vorzubereiten.
    Ich starrte durch die Netzstores über die Themse, auf der reger Schiffsverkehr herrschte. Das Parlamentsgebäude lag ungefähr dreihundertfünfzig Meter entfernt halb links vor mir. Das Büro, in das ich eingebrochen war, befand sich im obersten Stock der County Hall, in der früher der Greater London Council residiert hatte. Das renovierte Gebäude, das jetzt Büros, Hotels und Touristenattraktionen beherbergte, stand am Südufer des Flusses. Ich kam mir ziemlich großartig vor, während ich hinter einem auf Hochglanz polierten Schreibtisch aus dunklem Holz sitzend das Zielgebiet überblickte.
    Die Terrasse des Parlamentsgebäudes erstreckte sich über seine gesamte Themsefront. An ihrem äußersten linken Rand waren zwei Pavillons mit bunt gestreiften Dächern aufgestellt worden, um in den Sommermonaten für Empfänge genutzt zu werden. Ein Teil der Terrasse, das wusste ich von der Webseite des Parlaments, war für Mitglieder des Oberhauses reserviert, ein anderer für Mitglieder des Unterhauses. Normale Sterbliche hatten keinen Zutritt — außer sie befanden sich in Begleitung eines Abgeordneten oder Peers —, deshalb würde ich vermutlich nie sehr viel näher an die Terrasse herankommen.
    Das Ministerium für Handel und Industrie hatte heute etwa dreißig Geschäftsleute aus Mittel- und Südamerika eingeladen, die ihre engsten Mitarbeiter und einige Angehörige mitbringen durften. Vielleicht wollte das Ministerium sich bei ihnen einschmeicheln und ihnen ein paar Kraftwerke verkaufen. Wen kümmerte das? Ich wusste nur, dass einer der Gäste irgendwo zwischen Pasteten und Fischhäppchen tot zusammenbrechen würde.
    Direkt unter mir — fünf Stockwerke tiefer — wimmelte es auf dem Albert Embankment von Hot-Dog- Verkäufern und fliegenden Händlern, die den Leuten, die am London Eye anstanden oder nur ihren freien Sonntagnachmittag genossen, Polizeihelme aus Kunststoff und Ansichtskarten mit dem Big Ben verkauften. Ein Sightseeingboot voller Touristen fuhr unter der Westminster Bridge hindurch. Ich konnte hören, wie eine aus scheppernden Lautsprechern kommende gelangweilte Stimme die Geschichte von Guy Fawkes erzählte.
    Es war Urlaubszeit, Sauregurkenzeit für die Medien, daher würden Mr. Murdoch und seine Kollegen von dem begeistert sein, was ich zu tun im Begriff war: Ich würde die größte Londoner Explosion dieses Jahres auslösen — und noch dazu mitten in Westminster. Und der zusätzliche Bonus eines von Scharfschützen verübten Anschlags würde ihre Quoten in ungeahnte Höhen treiben. Leider waren gute Nachrichten für sie schlechte Nachrichten für mich, denn die Ermittler der SB (Special Branch) würden sich den Arsch abarbeiten, um rauszukriegen, wer den Knopf gedrückt hatte, und auf diesem Gebiet waren sie weltweit unschlagbar. Die SB war aufgestellt worden, um zu verhindern, dass die IRA weiterhin genau die Art Anschläge verübte, die ich vorbereitet hatte.
    Die drei Taschenlampenbirnen brannten noch immer nicht. Ich war nicht nervös, nur leicht beunruhigt.
    An beiden Enden der Lämpchenreihe war mit Evostik je eine weiße rechteckige Klingel taste aufgeklebt, von denen sich Drähte in die Kunststoffbox hinunterschlängelten. Über die linke Taste hatte ich die Schutzkappe einer Rasierschaumdose geklebt. Dies
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