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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop
Autoren: Juan Filloy
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Form der Bewunderung für seine halbentarteten Füße ließ das ganze geistige Geschwader, das für den Sieg über seine inneren Stürme kämpfte, nach außen schlagen: »Ketzerei! Absurdität! Schaffen Sie mir diesen Fetischisten aus den Augen!«
    Und er rannte nackt, mit einem flauschigen Handtuch in der Hand, in Richtung der Kabinen des apodyterium.
    Der Fettleibige versperrte ihm erneut den Durchgang. Sein außerordentlicher Bauch federte wie ein unverhoffter Stoßdämpfer.
    »Aber, Señor, achten Sie darauf, wo Sie hinlaufen!«
    Diesmal hielt der Dickwanst an. Die Grunzlaute des vorherigen Aufeinandertreffens klärten sich zu vollkommen gelassenen Worten: »Sehen Sie, Caballero: nun sagen Sie mir bereits zum zweiten Mal dasselbe, und ich bin nicht derjenige, der kollidiert. Wenn Sie nicht verrückt sind, dann sind Sie nahe dran …«
    Op Oloop blieb wie versteinert stehen. Seine Lippen verzogen sich zu einer blasphemischen Miene. Auf die Antwort konzentriert, liefen seine Augen fast schielend auseinander. Dennoch scheiterte er. Die barsche Verwünschung, die seine heftigen Gesten ankündigten, löste sich in karges Raunen auf: »Verrückt?! Verrückt? Verrückt … ›Verrückt‹. Verrückt! Verrückt. Verrückt! ›Verrückt‹. Verrückt … Verrückt? Verrückt?!«
    Das Wort lernte alle Nuancen des Ausdrucks kennen. Er stieg jene in der Persönlichkeit vermauerte Tonleiter in umgekehrter Richtung erst hinab und dann wieder hinauf, einen neuen Sinn in ihm erspürend. Und plötzlich, da er den unterdrückten rasenden Zorn zurückerlangte, durchlief er sie außerhalb seiner selbst, vom anfänglichen feurigen Impuls aus bis zum Einschmelzen in die normale Satzmelodie; und dann in crescendo bis zum Rande der gewaltigsten Verzweiflung: »Verrückt?! Verrückt? Verrückt … ›Verrückt‹. Verrückt! Verrückt. Verrückt! ›Verrückt‹. Verrückt … Verrückt? Verrückt?!«
    Das Geschrei dauerte nur kurz. Das »Beruhigen Sie sich« der Bademeister wirkte wie Balsam. Sie brachten ihn von seiner Besessenheit ab, indem sie allen anderen Verrücktheit bescheinigten. Eine bewundernswerte Vorgehensweise! Dennoch schlug das einmal zur fixen Idee gewordene Wort in seinem Bewußtsein weiter Purzelbäume.
    Er versuchte sich aufzuheitern. Sein abgeschweifter Blick kehrte in die verlorenen Augen zurück und das Handtuch über sein entblößtes Geschlecht. Auf dem Weg in die Umkleide versicherte er: »Danke, Muchachos. Erschrecken Sie sich nicht. Es ist nichts. Schon vorbei … Dieser schändliche Dicke! Entschuldigen Sie … Mein Kopf ist eine Taschenbuchausgabe der Hölle!«
    Omne individuum ineffabile! Der alte Spruch der Scholastik ließ sich endlich auf seinen Fall anwenden. Die Definition der methodischen, ordentlichen Person, voller sophrosyne – mit der er sich im privaten Rahmen zu schmücken pflegte, um die Wankelmütigkeit der übrigen hervorzuheben – zerschellte derart beim Sturz vom Gipfel seiner überhöhten Persönlichkeit in den Wahnsinn.
    Während er sich ankleidete, nahm sein Gehirn die unzähmbare Gewohnheit des Denkens wieder auf. Er betrachtete die Zwischenfälle dieses Morgens als Verkehrsunfälle im Ideenverkehr. Und als er der Belagerung durch die äußeren Umstände und der inneren Bedrängnis durch unverständliche Kräfte gewahr wurde, wollte er sein Verfehlen kokett vor dem metaphysischen Spiegel verschleiern.
    Lügen! Man kann die Vernunft, den Verstand, die Moral kontrollieren: das, was der Mensch erreicht oder von anderen Menschen im Beziehungsleben ererbt hat; aber niemals in der ausschließlich biologischen Sphäre der Spezies eine arithmetische Kontrolle durchführen. Diese absurde Begierde und der Wille, sich täglich zu besiegen, ein Held zu sein! Dieses vortreffliche Streben, alle vom Fleisch und seinen Leidenschaften hervorgebrachten oder diktierten Skrupel und Anzeichen geringzuschätzen! Diese krankhafte Sucht, Herrscher über ein niemals durch eine Laune oder eine Unzulänglichkeit in Frage gestelltes Ebenmaß zu sein!
    Op Oloop mußte in jener Notlage eine psychoanalytische Inventur machen und dabei mit Feingefühl und Ernsthaftigkeit vorgehen: mit Methode. Doch bedauerlicherweise nutzt die Methode nichts gegen die komplizierte Strategie des Zufalls. Gerade weil der methodische Mensch allen geistigen Fluß kanalisiert und unnachsichtig in dem Unterfangen ist, Neigungen und Veranlagungen herabzuwürdigen, ertrinkt er, wenn der Zufall diese Strömungen durch Stürme des
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