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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop
Autoren: Juan Filloy
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ein prall mit Daten und Berichten, Studien und Erfahrungen gefülltes Magazin. Jede Schublade ein Zettelkasten, der die Zuverlässigkeit seines Gedächtnisses überwachte. Selbst in seinen Taschen bewahrte er Auszüge tiefsinniger nächtlicher Studien auf.
    Einziger Sohn der Methode und der Beharrlichkeit, war Op Oloop die perfekteste menschliche Maschine, die vortrefflichste Schöpfung der Selbstdisziplin, die Buenos Aires je gekannt hatte. Wenn von der Pubertät an die wichtigsten Phänomene des Universums und die sanftesten Fehltritte des Seins verglichen und kategorisiert würden, dann könnte man ernstlich behaupten, daß das System auf seinen sparsamsten Ausdruck beschnitten wurde, man könnte sagen, es wurde zum höchsten methodologischen Rang erhoben; denn die Großartigkeit der Methode enthüllt sich in ihrer Herrschaft über das Unbedeutende!
    Er trat aus dem Zimmer.
    Natürlichkeit und Vornehmheit in Person.
    Vor dem Spiegel im Vestibül überprüfte er seine Erscheinung, korrigierte leicht den Sitz seines Hutes und die Makellosigkeit seines Revers. Im braunen Gesamtbild gab es zwei Akzente: seinen mattweißen Teint und die tabakfarbenen Augen. Und drei hervorstechende Punkte: das hellsichtige Feuer seiner beiden Pupillen und das zu einer Perle erstarrte Licht auf dem Dunkelrot seiner Krawatte.
    Von derselben Stelle aus betrachtete er sein Arbeitszimmer. Ein leichter Wind drang durch den weiten Bogen der bereits geöffneten Balkontür. Ein fließender Morgen. Die Sonne neugierig und festlich. Sein Blick fand Gefallen an der dichten Ordnung der Bücherregale, den Reihen der Registraturkästen, den geraden Körpern der Rechen- und Lochmaschinen und vor allem an dem beruhigenden Grau der Mauern, Vorhänge und Teppiche.
    Alles gab ihm ein Gefühl der Gesetztheit, der Sicherheit im Gleichgewicht. Er nickte zustimmend. Er war zufrieden. Die gewichtige Schwere seiner Arbeit hätte sich nicht mit einem modischen Interieur vertragen, kraftlos und leer, wo die Gleichgültigkeit oberhalb orthopädischer Stühle Luxuseinbänden ohne Text gegenüberhängt, vor schmiedeeisernen Brandt-Leuchten von überflüssiger Eitelkeit und Kristallväschen von Lalique, deren Leere sich um Disteln kräuselt.
    Als er bereits im Wagen saß, bewegte sich sein Denken in höhere Sphären. Ein pamphletartiger Ton riß ihn hin, ohne daß er sich dessen bewußt war.
    »Oh, die großen Prinzen, die großen Erben, die großen Priester von heute … überdrüssig der Günste, der Übersättigung und der immer neuen Frauen … die niemals die Ermüdung der Arbeit gespürt, noch je ein edles Bemühen an den Tag gelegt haben … die von nichts Heldenhaftem wissen, von nichts Gewaltsamem, nichts Ungestümem … sie leben, faul geworden, von Privilegien, Geld und Hochmut … die ›von oben‹ auf sie herabkommen: von Gott, mit goldenen Wiegen und auf reich ornamentierten Serviertabletts … und von unten: von Lakaien mit Scharnieren im Rücken, von Arbeitern mit käuflichen Muskeln und von Betschwestern mit fettleibigen Liebkosungen, wattener Süße und seidenen Weihnachten!«
    Das Leben ist erfüllt davon, Schemata zu schaffen: in der Luft, der Erde, dem Wasser und den Dingen: Flugbahn, Furche, Kielwasser, Schriftstück. Die Müßiggänger, die Rauchspiralen aufsetzen, beim Tanz Rhythmen pinseln oder beim Sport akrobatische Verrenkungen zeichnen, riefen in ihm die größte Gleichgültigkeit hervor. Würden sie sich statt diesen ergebnislosen Schemata dem Zählen der in Kaffeehäusern vergessenen Regenschirme, den Fällen von Bigamie oder Blinddarmentzündungen, den die Klarheit der Gesetzestexte behindernden Kommata widmen, wäre dies zumindest fruchtbar, um in der Wahrscheinlichkeitsrechnung die entscheidenden Verzeichnisse eines kausalen Zusammenhangs aufzustellen. Doch nicht alle kommen durchtränkt von der göttlichen Inbrunst zur Welt, die die nutzbringende Gegenwart des Menschen in seinem Umfeld darstellt. Es gibt Leute, die keinen anderen Zeitvertreib anerkennen, als in ihrer Nichtsnutzigkeit Schemata zu schaffen. Op Oloop war anders. Obwohl er einen Regenmantel benutzte, kannte er die Anzahl der vergessenen Regenschirme; obwohl er ledig war, die allgemeine Rechtsprechung zur Bigamie; obwohl er sich bester Gesundheit erfreute, die veralteten und modernen Theorien rund um die Blinddarmentzündung und obwohl er auf freundliche Weise die Rechtsanwälte verabscheute, die Menge der Kommata, über die sie in einem Wirrwarr aus lateinischen
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