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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop
Autoren: Juan Filloy
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Ausdrücken und Hermeneutik spekulieren.
    Das Automobil hielt vor dem Badehaus an.
    Es ist unglaublich, aber wahr. Das einsame Leben der am weitesten entwickelten Exemplare dreht sich immer um Angeln der Routine. Den armen Kant ließen die Imperative sich nicht weiter entfernen, als bis zu den Bierstuben seines Dorfes; den armen Pasteur zwangen die Mikroben zu einer puren Einsamkeit aus pasteurisierter Milch; den armen Edison hielten die Erfindungen in Schlaflosigkeit und Taubheit eingeschlossen. In dem Maße, in dem sich der Geist ausweitet, unterwirft sich das Fleisch unentrinnbaren Klischees. Die Gepflogenheiten zu ruhen, sich Sinnenfreuden hinzugeben und zu speisen, werden mathematisch. Und die Stunden des Tages, unwiderruflich bekannten Genüssen, Funktionen und Ereignissen zugeordnet, vertiefen sich in der Pflicht; denn je mehr sich die geistige Kühnheit in die unbetretenen Sphären der Abstraktion vorwagt, desto mehr versteift sich die Materie und schließt sich in den Kellern der Gewohnheit ein.

10:40
    Um Punkt zehn Uhr vierzig trat Op Oloops Körper aus der Kabine und bewegte sich, mit einem leichten Vorhang aus feiner Baumwolle über dem Geschlecht, in Richtung des sudatorium des Hauses.
    Stets flexibel und mit einem Lachen auf dem Gesicht – den Gedanken an das Trinkgeld im Kopf – neigten sich die Angestellten in seinen Weg, während er vorüberschritt; denn die Bediensteten bearbeiten das Holz der Kunden wie Schnitzer, ohne sich um etwas anderes zu kümmern als das Ergebnis. In Wahrheit schätzte er sie. Kaum hatte er die Vorhalle durchschritten, konzentrierte seine Anwesenheit im apodyterium ihre Beflissenheit. Und er belehrte sie: »Eines Tages, wenn ich ein würdiges Haus bauen werde, wie Plinius der Jüngere in Laurentum, werde ich die vollkommenste Einrichtung haben. Dann nehme ich einen von Ihnen als Helfer mit; lasse einen Masseur vom maison de bain in der Rue Cadet aus Paris kommen, einen Parfümeur aus dem hammam, den ich in Istanbul zu besuchen pflegte, auf dem ersten Boulevard von Pera, und den Yankee-Techniker aus dem großen Badehaus in Valparaiso. So wie die modernen Anwesen eine Bar mit einem Flaschenarsenal besitzen, um die Besucher zu vergiften, ersann ich den Traum, eine private Therme zu errichten – ein Miniatur-Caracalla –, um sie dem Glück meiner Freunde darzubringen.«
    »Und Ihrer Freundinnen …«
    »Niemals. Sie haben das Bild von Ingres nicht gesehen. Es gibt nichts Abstoßenderes als eine Damengruppe von akademischer Fettleibigkeit, die im tepidarium dahinschmilzt. Es kann noch so viel Parfüm und Musik in der Luft schweben, es gibt keinen Exorzismus, der uns von ihren übelriechenden Körpersäften befreit. Frauen stechen furchtbar in der Nase. Das ist ihr großer Fehler!«
    Er war bei der ersten Kammer angekommen. Nicht, daß sein robuster Körperbau nach der Wonne strebte, in der Hitze leichter zu werden. Nein. Sein Meter und achtzig an Statur war perfekt mit dem Gewicht von sechsundachtzig Kilo bekleidet, das er vor der Dehydrierung mit sich trug. Er liebte das türkisch-römische Bad aus verschiedenen Gründen. In erster Linie, da er nach fast zwei Jahrzehnten der Abwesenheit aus Finnland zum Südländer geworden war. Zweitens, da Bäder vom Typ Helsinki in der hiesigen Umgebung fehl am Platz wirkten. Drittens, weil diese in ihm ein gewisses Gefühl abgelegt geglaubten Nationalbewußtseins erweckten, das unvereinbar war mit seinem Haß; denn er liebte sein Vaterland auf andere Weise als die einheimische Masse, mit einem markigen Patriotismus, den er auf synthetische Weise nach der Entfaltung einer großen universalen Liebe gewonnen hatte. Doch der Hauptgrund lag in seinen Plattfüßen und seinen Hühneraugen. Der ungeheuerlichen physischen Abnormität seiner Plattfüße und seiner Hühneraugen!
    »Haben Sie irgendwann einmal an das Muster, die Fäden, das Netz gedacht, das Ihre Füße beim täglichen Gehen im Laufe der Jahre auf der großen Leinwand des Lebens wickeln oder knüpfen?« pflegte er zu fragen. »Sicherlich nicht. Die normalen Leute sind sich ihrer Normalität nicht bewußt.«
    Op Oloop grübelte häufig über diese Sache nach. Wenn man an einer derartigen Deformation leidet, scheint das Gehirn in den Fersen Stellung zu beziehen. Alle Wege enden abrupt. Und man sammelt Tränen und harmlose Rezepte an.
    Als Statistiker wußte er nur zu gut, daß schmerzende Füße sich wegen einer Entzündung der Zahnhöhlen oder der Mandeln in diesem Zustand befinden
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