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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop
Autoren: Juan Filloy
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Zehenspitzen zwei Handtücher als Turban und Schurz. Er fragte: »Soll ich den Masseur rufen?«
    »Nein. Ich werde ein wenig im Becken schwimmen. Danach Schottische Dusche, Käfigbad, der Fußpfleger und einen cocktail aus Sherry mit drei Eigelb.«
    Langsam ging er davon, und kaum stand er am Rand des Schwimmbeckens, tauchte er nackt in das kristallklare Salzwasser ein.
    Op Oloop wußte, daß Nudismus in dieser Einrichtung verboten war. Doch als Mensch, der allen Verboten Respekt zollt, gestand er seinen Verstoß im voraus und schoß dem Bademeister die Ankündigung eines guten Trinkgeldes vor, sowie seiner physiokratischen Naivität den Genuß, rund um das Bewußtsein zu schwimmen.
    »Schwimmen! Schwimmen! Welch anmutige und behende Glückseligkeit ist es, sich vom federnden Sprungbrett ins Wasser zu stürzen! Der Mensch im Wasser scheint im dort widergespiegelten Himmel zu fliegen. Die Ökonomie des over-side arm stroke zeichnet sich im Rhythmus der Welle ab. Und im Tiefen – Sinnenlust ohne Besitz – gibt sich der Körper der Verzückung einer unsagbaren mystischen Verbindung hin. Schwimmen! Schwimmen!«
    Beweglich, braungebrannt, kraftvoll, machte sich sein Körper nun auf den Weg in Richtung des frigidarium, dem letzten Saal der Therme. Er trällerte. Andante. Allegro vivace. Presto … Er ertrug – großartige Statue aus Fleisch – das abwechselnd siedendheiße und eiskalte Bombardement der Schottischen Dusche; genoß im Nickelkäfig die Spitzen Tausender Wassertropfen, die in seine Poren hineinkrochen; und ließ schließlich, bereits eingewickelt und mit Handtüchern bedeckt auf der Liege, sein Blut und seine Träume in eine köstliche nonchalance zerfließen.
    Er ruhte seit zehn Minuten.
    »Der cocktail, Señor …«
    »Der Fußpfleger, Señor …«
    Die körperliche und geistige Entspannung war so vollkommen, daß es eine ärgerliche Anstrengung für ihn darstellte, vor dem plötzlichen Verstummen der beiden Stimmen die Augen zu öffnen. Es blieb ihm nichts anderes übrig. Er streckte den Arm aus, um das goldduftende Glas von dem einen in Empfang zu nehmen, und streckte dem anderen die physische Abnormität seiner Plattfüße und Hühneraugen entgegen.
    »Vor dem Glück muß man sich hüten wie vor der Pest«, dachte er bei sich. »Sobald man ein Übermaß davon fühlt, wird es stumpf und gerinnt zu Unglück. Wenn die Leute das Glück mit Vorsicht und taktisch klug in langsamen Zügen, kleinen prises genießen würden, gäbe es vielleicht nicht so viele Unglückselige.«
    Und er sog die Sherrycreme rasch in sich hinein, als wolle er seinen Gaumen mit ihr verwöhnen.
    Plötzlich fiel sein Denken in ein Luftloch.
    Eine spitze und feindselige Empfindung, die von einem ungeschickten Handgriff des Fußpflegers herrührte, hatte seinen Gedankenflug durchschnitten. Die Atmosphäre seines Inneren wurde von Furcht durchtränkt. Er fühlte das vergebliche Flügelschlagen der Seele, um den Grad der Glückseligkeit wiederzuerlangen. Und überdrüssig ließ er sich fallen, fallen, fallen, bis er innerlich auf die Epidermis seiner Füße stieß.
    Op Oloop sagte nichts. Er hatte seine Gefühle dahingehend erzogen, daß in einer solchen Notsituation die tiefgreifendsten Mahnungen und ernsthaftesten Rüffel, obschon vorgebracht, kaum in einer grimace des Unwillens mündeten.
    »Ich bitte Sie um das größte Feingefühl, Señor. Mir ist bekannt, daß meine Hühneraugen ausgedehnt und runzelig sind. Daß sie den Anblick einer Schuhsohle aus rohem Gummikrepp darbieten. Nicht mehr und nicht weniger. Aber lassen Sie sich weder einschüchtern, noch beeilen Sie sich! Sie haben genau eine halbe Stunde, um Ihre Pflicht zu erfüllen.«
    »In der Tat, Señor … Es lag an der Eile … Ihre Füße werden sehr gut aussehen. Außerdem verrate ich Ihnen eine wundervolle Formel. Kollodium, drei Gramm; Salizylsäure, dreieinhalb Gramm. Befeuchten Sie Ihre Fußsohlen jeden Abend …«
    »Beschränken Sie sich auf Ihre Aufgabe. Ich verfüge über keinen Abend.«
    Seine Worte, schwer vor Förmlichkeit, trafen den Fußpfleger und ließen ihn über seiner Arbeit zusammensinken, als ob er einen Schlag in den Nacken erhalten hätte.
    Und zwischen den beiden breitete sich eine ebenso schwere Stille aus.
    Zweifellos quälte Op Oloop seine Antwort mehr als jeden anderen. Bei seiner seelischen Konstitution einer anima symphonialis reichte ein Ausbruch aus, um die intimen Kadenzen der Erziehung zu zerbrechen, die vortrefflichen Harmonien der
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