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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop
Autoren: Juan Filloy
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können. Und zur Sicherheit ersetzte er den Großteil seines Gebisses durch künstliche Zähne, nachdem er sich die Mandeln hatte entfernen lassen. Er wußte, daß der Gebrauch von ungeeignetem Schuhwerk Haltungsschäden hervorruft und die Verformung der Füße zu schlechter Durchblutung, Verdauungsstörungen, Blutarmut, Rückenschmerzen, Rheumatismus, Nierenschäden, Schlaflosigkeit und einer Schwächung der Beinmuskulatur führen kann. Ebenfalls zur Sicherheit verbrachte er aus physiotherapeutischem Antrieb ganze Tage barfuß zu Hause. Sein Defekt war konstitutionell, wie der gewisser Demokratien. Und er stellte ihn in eine Sammlung von Sohlenabdrücken transkribiert aus, die ein Spezialist für deformierte Füße als Vorwand dafür angefertigt hatte, ihm eine Reihe unnützer Apparate aufzuschwatzen.
    »Die Orthopädie,« tröstete er sich, während er seine Füße bei achtundvierzig Grad Celsius liebkoste, »ist ein unserer inneren Perfektion unwürdiger Kunstgriff. Was macht es aus zu lahmen, können doch im Gehirn niemals die Zellen dieses fehlenden Gefühls wieder angeregt werden? Lazarus wurde groß, während er unbeweglich und stumm war. Weiß irgend jemand etwas über seine Wanderungen nach dem Wunder? Was war das Wunder anderes als eine gauklerische Orthopädie? Von Bedeutung ist, sich im Geist nicht behindert zu fühlen; denn dann vermodert die gesamte Psychologie des aktiven Lebens vor Entsagungen. Die Wünsche werden fußlahm, die Vorhaben kreuzlahm … Und so viele Stützen und Krücken uns die Hoffnung und die Gelehrten auch liefern, alle Entscheidungen zerschlagen sich, ohne ans Ziel zu gelangen. Und das Problem des Lebens bleibt in der Existenz ungelöst.«
    Das üppige Ausschwitzen in der ersten Kammer brachte ihm die sinnliche und willenlose Ermattung, welche Neulinge zu Boden streckt. Er legte sich ein mit kaltem Wasser getränktes Tuch in den Nacken und senkte zum Nachdenken die Augenlider wie zwei Binsenrollos. Er wollte so die offensichtliche Tatsache ausblenden, daß ihn in der Blüte seines Lebens die Füße an das Schicksal des vorzeitigen Alterns gemahnten. Denn die Kultur läßt das Individuum altern. Sie bremst das jugendliche Ungestüm, modelliert das Erwachsensein und zwingt es in strikte Normen. Niemand ist mehr Sklave als der Götzendiener der von dieser Kultur vorgegebenen Freiheit! Op Oloops an seiner physischen Basis krankes Empfinden untergrub auf diese Weise seine intellektuelle Struktur; denn alles überschneidet sich und endet im Mechanismus des Innersten. Wenn man nicht gerade ein Rohling ist – ein Fußballspieler oder ein Marathonläufer zum Beispiel –, dessen Füße genau wegen ihrer gewaltigen Roheit hoch im Kurs stehen!
    Als er seine Augen erneut öffnete, erlosch seine tiefsinnige Konstellation. Doch er richtete sich entschlossen auf. Er wollte in den fünfundsechzig Grad des caldarium den Erfolg des Schwitzens bestätigen. Welch bitteres Scheitern! Sein Ortswechsel vollzog sich langsam und zittrig. In Strömen schwitzend, schien er ein von Enttäuschungen durchlöcherter Greis zu sein … wie die Schläuche der Feuerwehrleute in den Provinzen.
    Neununddreißig Jahre sind eine geringe Last für den Athleten oder den Träger, die verschwenderisch mit freiwilligem oder bezahltem Körpereinsatz umgehen. Doch für den Yogi, der geistige Energien spart, oder den phlegmatischen Menschen, der mit unfruchtbaren Gesten haushält, nimmt dieses Alter düstere Aspekte an. Sein Fall: Op Oloop war bekannt, daß jede Person, die im Äußeren oder Inneren spart oder haushält, sei es an Reichtümern oder Gefühlen, von Phantasmen belagert wird. Ihm war bekannt, daß die Analyse fremder Gefühle das eigene Leben durch Vorahnungen verdunkelt. Und daß das von der Skepsis zur Reife gebrachte Urteil über die Absichten, die zum Bösen in der Welt tendieren, die Ruhe mit Schrecken überlagert.
    Er tat recht daran, das laconicum nicht zu betreten, das kleine Reich höchster Temperatur. Dort hielten sich drei schwächliche Jockeys auf und rieben sich mit entkräfteten Bewegungen ab. Ihre schon an sich kränklichen Gesichter wiesen Einkerbungen von intensiver Bitterkeit auf. Vielleicht dachten sie an die Busenfreunde, die ihnen Informationen abschwatzen und sie zu dieser Stunde in den Bars der Stadt an mit Aperitifs und Vorspeisen übervollen Tischen kommentierten. Vielleicht dachten sie an die Mayonnaisen und Bandnudeln, die sonntäglich die Häuser zieren und mit ihrem Duft erfüllen. Und
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