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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop
Autoren: Juan Filloy
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Überdrusses, des Hasses oder der Wut aus der Bahn wirft. Der geübte Schwimmer spürte die tiefgreifende Traurigkeit seiner Situation und die vorzeitige Ermüdung, in sich selbst kein Land zu sehen.
    Es ist wenig wert, die höchste Fähigkeit zu erringen, souverän zu sein – nach außen über seine Handlungen und nach innen über die psychischen Triebfedern, die ihnen Macht verleihen –, wenn sich in einem Gefahrenmoment all die zu diesem Zwecke unternommene Anstrengung in einem Fehltritt des Instinkts zunichte macht.
    In der Tat, die ganze Kontinuität seines Denkens – das in sich die Todsünde, den Fehler, den Wetteifer und den Vernunftschluß aufhob – und die ganze Kontinuität seiner Ordnung – die die Materie zähmte, das Fleisch unterordnete und das Blut im Zaum hielt – lagen kraftlos danieder, vor dem Bild, nichts weiter als dem Bild, einer Frau.

11:45
    Die Uhr zeigte elf Uhr fünfundvierzig an.
    Zugleich sah Op Oloop sich in der Introspektion als ein Monster aus Melancholie und Mitleid. Die drei doppelten Glockenschläge hallten in seiner Einfriedung wider. Nachdem er sich in einer mechanischen und abwesenden Operation fertig angekleidet hatte, nahm er Handschuhe, Hut und Stock und trat hinaus.
    Dort warteten die Bademeister auf ihn und täuschten irgendwelche Verrichtungen vor, die ihr Interesse an einem Trinkgeld verhehlen sollten.
    Mathematisch, nüchtern, wie bei gleichem Anlaß in den vergangenen Jahren, überreichte der Statistiker jedem der vier fünfunddreißig Centavos, zusammengesetzt aus Münzen zu zwanzig, zehn und fünf.
    Die Angestellten nuschelten jeder für sich ein Dankeschön und blinzelten sich zu.
    Das Trinkgeld blieb nie aus. Und immer in dieser Form: fünfunddreißig Centavos pro Nase, zusammengesetzt aus Münzen zu zwanzig, zehn und fünf. Die Routine verliert sich nicht. Sie haftet einem an wie Filzläuse. Reproduziert sich in jeder Haltung und jedem Härchen. Nur Wahnsinn oder Fieber kann sie ausrotten.
    Er sah glänzend aus. Das Bad hatte seinen Teint rosig gefärbt. Wie jemand, der eine Vertraulichkeit von sich geben wird.
    »Kommen Sie mal her«, rief er sie geheimniskrämerisch zusammen.
    Die Angestellten wunderten sich über einen so schnellen Umschwung. Sie mutmaßten, daß seine »Attacke« schon vorüber war, und näherten sich.
    »Ich werde Ihnen einen nützlichen Ratschlag geben. Doch Vorsicht! In meinem Mund hat das Schweigen eines Pygmäen Platz. Auf daß in Ihrer Brust die Verschwiegenheit eines Riesen Platz finde!«
    Der Fußpfleger kam heran.
    Er musterte ihn von oben bis unten.
    Es entstand eine haßerfüllte Pause.
    Die Umstehenden sahen sich an, wiegten bedächtig die Köpfe und schwatzten fast simultan, ohne den Sinn zu verstehen: »›In meinem Mund hat das Schweigen eines Pygmäen Platz. Auf daß in Ihrer Brust die Verschwiegenheit eines Riesen Platz finde!‹«
    Eine augenfällige Verwirrung nagte bereits an ihnen. Da rückte Op Oloop entschlossen vor. Sein Ruf gebot ihm, die von seinem ungehörigen Verhalten verursachten schlechten Eindrücke zu konfiszieren. Er war wachsam, wußte er doch, daß sich das Irreguläre im Oberstübchen der einfachen Leute besser einprägt als das Korrekte. Wußte er doch, daß sich die Meinung des gemeinen Volks wie Staub im Wind verbreiten und durch Anhaftung den Kristall des Ruhms trüben würde. Und um den seinen zu säubern, indem er die Erinnerungen dieses Morgens auslöschte, hob er an: »Jawohl, Muchachos, ich werde Ihnen einen nützlichen Ratschlag geben. Einen gewissen juristischen Ratschlag. Mussolini schaffte das Trinkgeld neunzehnhundertzwanzig ab. In Spanien tat das Gesetz vom ersten Oktober neunzehnhundertdreißig ein Gleiches. Von achtzehnhundertzweiundachtzig an, als Von Ihering sich mit dem Trinkgeld beschäftigte und ihm eine psychologische und kritische Studie widmete, bis hin zu Pierre Mazoires Werk »Usage et evolution du pourboire«, Paris neunzehnhunderteinundreißig, interessierten sich viele Leute für dieses Thema. Ich bin verpflichtet, in dieser Angelegenheit, wie in vielen anderen, auf dem aktuellen Stand zu sein. Nicht ohne Grund bin ich von Beruf Statistiker und habe einen Karteikasten der Rechtskunde für Akademien, Seminare und Studenten erfunden! … Lassen Sie sich von Ihrem Chef nicht übers Ohr hauen! Mir ist bekannt, daß Sie lediglich fünfzig Pesos im Monat verdienen. Hören Sie es ein für allemal: das Trinkgeld ist Bestandteil des Lohnes. Wenn Sie morgen einen Arbeitsunfall
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