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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop
Autoren: Juan Filloy
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haben, dürfen Sie keine Entschädigung gemäß Ihrer geringfügigen Vergütung akzeptieren, sondern müssen auch eine Aufbesserung durch die Kunden erzwingen, gerade deswegen, weil der Arbeitgeber darauf spekuliert. Das ist die Theorie, die Sachet und die gesamte französische Rechtsprechung verfechten. Seien Sie nicht dumm! Vereinigen Sie sich! Von fünfzig Pesos kann niemand leben. Dadurch, daß ich Ihnen jedes Mal eins vierzig an Trinkgeld gebe, mache ich mit meiner Großzügigkeit die Ungerechtigkeit Ihres Chefs wett. Deshalb habe ich das Recht zu rufen: Vereinigen Sie sich! Richten Sie in jeder Einrichtung, jeder Stadt, jedem Land ein Trinkgeldkontrollbüro ein! Seien Sie nicht dumm! Formieren Sie sich zur Internationalen des Trinkgelds!«
    Op Oloops Stimme erreichte zum Ende hin den majestätischen Höhenflug eines Propheten. Er machte eine ausladende Gebärde zum Gruße und ging auf die Straße hinaus.
    Die anderen blieben nachdenklich zurück. Selbst ihre langen Barfußläuferschritte hatten sich verkürzt. Der Erguß, die Vehemenz, niemals in ihm wahrgenommener Ausdrucksformen, waren mit neuartiger Arglosigkeit über seine Lippen gesprudelt wie Wasser in der Einöde aus einem artesischen Brunnen. Die Absicht war plausibel: seine Ehre wiederherzustellen. Doch er war in die Ungeschicklichkeit verfallen, das fremde Fassungsvermögen zu überfordern: einen Wall, den man notwendigerweise respektieren muß, da das Wissen sonst zur Beleidigung wird. Op Oloop überschritt dieses Maß. Die Kultur ist eine krankhafte Erscheinung für die, deren Fähigkeiten auf den niedrigen Stufen des Geistes verharren. Und selbst die Sympathie wird verdächtig, wenn sie den erlaubten Rahmen verläßt. Schade um ein so argloses Durcheinander von Absichten!
    Von allen Seiten sprudelten Kommentare hervor:
    »Was zum Teufel ist mit dem Typen los? Mein Lebtag hab' ich ihn nicht so gesehen.«
    »›ln meinem Mund hat das Schweigen eines Pygmäen Platz.‹ Habt ihr das gehört? Und was für einen Humbug er über das Trinkgeld gefaselt hat!«
    »Ob ihm nicht in der letzten Kammer das Hirn eingeschmolzen ist?«
    »Merkwürdig war, daß er stocksauer geworden ist, weil ich seine Füße angesehen habe; ohne irgendeinen Anlaß, einfach so … Ich mache ihm seit vier Jahren die Füße, bis heute …«
    »Mich täuscht er nicht. Er hat Flöhe im Blut. Syphilis. Nicht ohne Grund hat er gesagt: ›Mein Kopf ist eine Taschenbuchausgabe der Hölle‹ …«
    Auch die Jockeys trugen ihre übereinstimmende Meinung bei, denn sie hatten unter der anmaßenden Miene gelitten, mit der er sie beäugt hatte.
    Der fettleibige Badegast, der das Stimmengewirr einen halben Meter von seinem Bauch entfernt hörte, urteilte abschließend, indem er pomadig wiederholte: »Zweifelsohne. Wenn er nicht verrückt ist, ist er nahe dran …«
    Wie schwierig ist es, das Warum einer aufgeschreckten Seele zu klären, zu erhellen! Die Psychiatrie – eine wahrhafte Geographie der Unordnung – sucht die Geistesverwirrungen des homo sapiens durch dafür geschaffene Formeln zu lokalisieren. Und gerade weil dieser entrückt und sich auf Streifzüge in Gebiete von dunkler und tierhafter Urwüchsigkeit begibt, gelingt es dem von der Gesundheit aus seine Koordinaten ziehenden Psychiater oftmals, in Abhandlungen Probleme des Temperaments und der Vererbung festzulegen. Doch nicht immer. Die Gehirnhemisphären, verwickelte Labyrinthe, wenn sie die Schädelhöhle auf übliche Weise anfüllen, sind dies umso mehr, wenn sie sich in den beiden Fleischklumpen der Hinterbacken ansiedeln. Denn es ist so: Es gibt Personen, deren Gehirn am Rande der Anallinie sitzt. Dann verstopft der Verstand und der psychopathologische Gestank wird so groß, daß der Akademiker unweigerlich zurückweicht.
    Op Oloop gelangte im Handumdrehen zur Avenida de Mayo und bog scharf nach Westen ab.
    Er schritt weit und verwegen aus und entbot jedem, der ihn ansah, mit großzügigen Armbewegungen voller Euphorie einen Gruß.
    Der Wahnsinn macht behende. Er weckt den willensschwachen Menschen auf und ölt das an die Apathie des Melancholikers gewöhnte Getriebe. Doch in ihm entbehrte diese ungewöhnliche Gewandtheit jeglicher Erklärung. Jeder systematische Mensch vervollkommnet sich in der Tat in sich selbst. Er wird immer prachtvoller und kompakter, immer weniger glänzend und äußerlich. Wie kam es also in diesem flüchtigen Zeitraum zu den Aussetzern, die die Körpersäfte eines stets korrekten Wesens verklumpen
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