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Onkel Toms Hütte

Titel: Onkel Toms Hütte
Autoren: Beecher-Stowe Harriet
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beiden Händen ergriff er ihre harte, schwarze Hand. »Ich hätte gern mein ganzes Vermögen hingegeben, um ihn mitzubringen, aber er ist in ein besseres Land gegangen.«
    Mrs. Shelby stieß einen leidenschaftlichen Schmerzensschrei aus, aber Tante Chloe sagte gar nichts.
    Zusammen betraten sie das Eßzimmer. Da lag das Geld, auf das Chloe so stolz war, noch auf dem Tisch. »Hier«, sagte sie, es zusammenraffend, und hielt es ihrer Herrin mit zitternden Händen hin, »will nie wieder etwas davon sehen oder hören. Ich hab' gewußt, daß es so kommt – verkauft und ermordet – da unten auf den alten Plantagen!«
    Chloe wandte sich ab und wollte stolz das Zimmer verlassen. Aber Mrs. Shelby folgte ihr sanft, nahm sie bei der Hand und zog sie auf einen Stuhl, dann setzte sie sich zu ihr.
    »Meine arme gute Chloe!« sagte sie.
    Da lehnte Chloe ihren Kopf an die Schulter ihrer Herrin und schluchzte auf. »Oh, gnädige Frau, verzeiht mir, mein Herz will brechen, weiter nichts!«
    »Ich weiß«, sagte Mrs. Shelby, und ihre Tränen flossen; »und ich kann es nicht heilen, aber Jesus kann es. Er heilt die gebrochenen Herzen und verbindet ihre Wunden.«
    Einige Zeit herrschte Schweigen. Schließlich setzte sich Georg neben die Trauernde, nahm ihre Hand und erzählte in schlichten Worten die ergreifende Sterbeszene ihres Mannes und seine letzte Botschaft der Liebe.
    Ungefähr einen Monat später wurden eines Morgens alle Leute der Shelbyfarm in die große Halle zusammengerufen, die sich der Länge nach durch das Haus erstreckte, um eine kurze Mitteilung ihres jungen Herrn entgegenzunehmen.
    Zur allgemeinen Überraschung erschien er unter ihnen mit einem Stoß Papieren, die für jeden einzelnen eine Freilassungsurkunde enthielten, die er nacheinander verlas und unter allgemeinem Schluchzen, Tränen und Zurufen an jeden verteilte.
    Doch viele drängten sich um ihn und baten inständig, er möge sie nicht wegschicken, mit angstvollen Gesichtern reichten sie ihm ihre Freibriefe zurück.
    »Wir wollen nicht freier sein als vorher. Wir haben immer alles gehabt, was wir brauchen. Wir wollen hier nicht fort und den Herrn und die gnädige Frau und alle verlassen.«
    »Gute Freunde«, sagte Georg, sobald er sich Ruhe verschafft hatte. »Ihr braucht mich nicht zu verlassen. Das Gut braucht nach wie vor alle Hände zur Arbeit. Aber ihr seid jetzt freie Männer und freie Frauen. Ich werde eure Arbeit entlohnen, das machen wir noch ab. Der Vorteil liegt nur darin, daß ihr, falls ich in Schulden gerate oder sterbe – was geschehen kann –, jetzt nicht geholt und verkauft werden könnt. Ich beabsichtige, das Gut weiter zu führen, und dann sollt ihr bei mir lernen, was wohl einige Zeit dauert, wie ihr die Rechte gebrauchen sollt, die ich euch als freie Menschen einräume. Ich erwarte, daß ihr fleißig und willig lernt, und ich vertraue auf Gott, daß ich euch getreulich und bereitwillig unterweise. Jetzt aber, meine Freunde, blickt hinauf und dankt Gott für den Segen der Freiheit.«
    Nun erhob sich ein bejahrter Negerpatriarch, der auf dem Gut grau und blind geworden war, hob seine zitternde Hand auf und sagte: »Laßt uns dem Herrgott Dank sagen.« Da sanken alle gleichzeitig auf die Knie, und nie ist ein rührenderes Tedeum zum Himmel gestiegen – sei es auf Orgelklängen, Glockengeläut oder Choralstimmen als jenes, das aus diesen ehrlichen Herzen drang.
    »Und noch etwas«, sagte Georg und gebot den Dankesbezeugungen der Menge Einhalt. »Ihr kennt doch alle noch unsern guten, alten Onkel Tom?«
    Georg gab ihnen eine kurze Schilderung seiner Todesstunde; er bestellte seine liebevollen Lebewohlgrüße an alle auf dem Gut und setzte hinzu:
    »An seinem Grabe, meine Freunde, beschloß ich vor Gott, daß ich niemals wieder einen Sklaven besitzen will, wenn es mir möglich wäre, ihn freizulassen; niemand soll mehr durch mich der Gefahr ausgesetzt werden, von Heimat und Familie fortgerissen, auf einer einsamen Plantage zu sterben wie er. Wenn ihr also jetzt euch eurer Freiheit freut, vergeßt es nicht, daß ihr sie dieser treuen, alten Seele verdankt, und vergeltet es mit Freundlichkeit an seinem Weib und seinen Kindern. Denkt an eure Freiheit, jedesmal, wenn ihr an Onkel Toms Hütte vorbeikommt, und laßt sie zum Denkmal werden, damit ihr in seine Fußstapfen tretet und so ehrlich und treu seid und ebenso christlich, wie er es war.«

* Erste Form der Photographie.
    * Bezeichnung für Quäker.
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