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Onkel Toms Hütte

Titel: Onkel Toms Hütte
Autoren: Beecher-Stowe Harriet
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Sohn geführt haben. Als energischer junger Mann war er schon einige Jahre vor seiner Mutter entflohen. Freunde der Unterdrückten im Norden hatten ihn aufgenommen und erziehen lassen. Er wird seiner Familie bald nach Afrika folgen.

43. Kapitel
    Der Befreier
    Georg Shelby hatte seiner Mutter nur in einer Zeile den Tag seiner wahrscheinlichen Rückkehr mitgeteilt. Er brachte es nicht übers Herz, von der Sterbeszene seines alten Freundes zu schreiben. Ein paarmal hatte er angesetzt und war jedesmal beinah an seinen Tränen erstickt, so daß er schließlich den Briefbogen zerriß, sich die Augen wischte und fortstürzte, um ruhig zu werden.
    Auf der Shelbyfarm herrschte eine frohe Geschäftigkeit an dem Tage, als man die Ankunft des jungen Herrn erwartete.
    Mrs. Shelby saß in ihrem gemütlichen Wohnzimmer, wo ein munteres Feuer die Kühle des späten Herbstabends vertrieb. Der Abendbrottisch, blitzend von Silber und Kristall, war schon gedeckt; unsere alte Freundin, Tante Chloe, überwachte seine Anordnung.
    Angetan mit einem neuen Kalikokleid, einer frischen, weißen Schürze und einem hohen, gutgestärkten Turban, erstrahlte ihr schwarzes, glänzendes Gesicht vor Zufriedenheit; mit unnötiger Gewissenhaftigkeit machte sie sich noch am Tisch zu schaffen, nur um einen Vorwand zu haben, noch ein wenig mit ihrer Herrin schwätzen zu können.
    »Gott, nein, wird es ihm wohl so recht sein?« fragte sie. »Da – ich hab ihm seinen Teller genau dort hingesetzt, wo er es gern hat – neben das Feuer. Herr Georg sitzt immer gern warm. Ach, da soll doch – warum hat Sally nicht die beste Teekanne geholt – die kleine neue, die Herr Georg der gnädigen Frau zu Weihnachten schenkte? Ich werde sie holen. Und gnädige Frau bekam Nachricht von Herrn Georg?« setzte sie fragend hinzu.
    »Ja, Chloe; aber nur eine Zeile, um zu melden, daß er heute abend heimkäme, wenn er könnte, mehr nicht.«
    »Hat wohl nichts über meinen Alten geschrieben?« fragte Chloe und rieb noch an der Teetasse.
    »Nein, gar nichts. Er schrieb nichts weiter, Chloe. Er wird alles erzählen, wenn er nach Hause kommt.«
    »Ganz der junge Herr; hat immer drauf gebrannt, alles selber zu erzählen. Das hab' ich bei Herrn Georg immer bemerkt. Ich verstehe ja auch nicht, wie weiße Leute so viel schreiben können, wie sie gewöhnlich tun. – Schreiben ist so ein langsames Geschäft.«
    Mrs. Shelby lächelte.
    »Ich muß immer denken, mein Alter wird seine Söhne und die Kleine gar nicht wiedererkennen. Gott, was ist sie jetzt für ein großes Mädchen! Und wie lieb und fix ist Polly! Sie backt jetzt drüben im Haus den Biskuitkuchen. Er hat dieselbe Füllung, wie sie mein Alter so gern im Kuchen hat. Genau denselben hab' ich ihm damals vorgesetzt, als er morgens fortging. Gott behüte! Wie ist mir an dem Morgen zumute gewesen!«
    Mrs. Shelby seufzte. Ein schweres Gewicht drückte bei dieser Erinnerung auf ihr Herz. Seitdem sie den Brief ihres Sohnes erhalten, verspürte sie eine Unruhe, als ob sich irgend etwas hinter dem Vorhang des Schweigens verberge, den ihr Sohn herabgelassen hatte.
    »Gnädige Frau hat doch die Scheine?« fragte Chloe besorgt.
    »Ja, Chloe.«
    »Weil ich meinem Alten die Scheine zeigen möchte, die der ›Perditor‹ mir gab. ›Und Chloe‹, hat er gesagt, ›ich wünschte nur, du würdest länger hierbleiben.‹ ›Vielen Dank, Herr‹, habe ich gesagt. ›Ich bliebe auch, aber mein Alter kommt jetzt heim, und die gnädige Frau schafft es nicht länger ohne mich.‹ Genau das hab' ich gesagt. Sehr netter Mann, der Mr. Jones.«
    Chloe hatte hartnäckig darauf bestanden, daß dieselben Scheine, in denen man ihr den Lohn ausgezahlt hatte, aufgehoben werden sollten, um sie ihrem Mann zu zeigen, als eine Erinnerung an ihre Tüchtigkeit; und Mrs. Shelby war gern einverstanden gewesen, ihr diesen Wunsch zu erfüllen.
    »Polly wird er nicht mehr kennen – mein Alter. Gott, es sind fünf Jahre her, seit sie ihn mitnahmen. Da war sie noch ein Baby – konnte gerade stehen. Ich weiß noch, wie er sich die Seiten hielt vor Lachen, weil sie immer hinpurzelte, wenn sie sich ans Laufen machte. Ach, du lieber Gott!«
    Jetzt hörte man draußen Räderrollen.
    »Herr Georg!« rief Tante Chloe und stürzte ans Fenster.
    Mrs. Shelby lief zur Haustür, direkt in die Arme ihres Sohnes. Tante Chloe stand ängstlich am Fenster und sah sich in der Dunkelheit beinahe die Augen aus.
    »Oh, du arme Tante Chloe!« rief Georg und blieb mitleidig stehen, mit
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