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Onkel Toms Hütte

Titel: Onkel Toms Hütte
Autoren: Beecher-Stowe Harriet
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tun.«
    »Hoffentlich nicht!« antwortete Georg. »Ich will ihm gewiß nicht im Himmel begegnen.«
    »Pst, Herr Georg! Das bekümmert mich. So müssen Sie es nicht ansehen. Er hat mir keinen Schaden zugefügt – nur die Tore zu dem himmlischen Reich geöffnet; mehr nicht!«
    In diesem Augenblick schwand der Anflug von Kraft, die, hervorgerufen durch die Freude des Wiedersehens mit seinem jungen Herrn, den Sterbenden vorübergehend belebt hatte. Plötzlich setzte der Verfall ein; er schloß die Augen, und über sein Gesicht glitt die geheimnisvolle, erhabene Veränderung, welche das Nahen einer anderen Welt ankündigt.
    In langen, rasselnden Atemzügen holte er Luft, mühsam hob und senkte sich die breite Brust. Ein sieghafter Ausdruck trat auf seine Züge.
    Georg war in feierlicher Ehrfurcht erstarrt. Es war ihm, als sei der Ort geheiligt; und als er die leblosen Augen des Toten schloß und sich erhob, war er nur von dem einen Gedanken beseelt, den sein einfacher, alter Freund in die Worte gekleidet hatte: »Was ist das für eine große Sache, ein Christ zu sein!«
    Er wandte sich ab. Legree stand verdrossen hinter ihm.
    Etwas an der Sterbeszene hatte die natürliche Hitze der jugendlichen Leidenschaft gedämpft. Die Gegenwart dieses Mannes war Georg in der Seele verhaßt, und er fühlte nur den einen Wunsch, mit so wenig Worten wie nur möglich von ihm fortzukommen.
    Er blickte Legree aus seinen feurigen, dunklen Augen an und sagte nur, auf den Toten deutend: »Jetzt haben Sie alles bei ihm erreicht. Was soll ich Ihnen für den Leichnam zahlen? Ich will ihn mitnehmen und anständig begraben lassen.«
    »Tote Niggers verkaufe ich nicht«, antwortete Legree mürrisch. »Meinetwegen können Sie ihn begraben, wo und wann Sie wollen.«
    »Burschen«, sagte Georg jetzt mit befehlender Stimme zu zwei, drei Negern, die den Toten betrachteten, »helft mir, ihn aufzuheben und in meinen Wagen zu tragen; und besorgt mir einen Spaten.«
    Einer von ihnen rannte nach dem Spaten; die beiden andern halfen Georg, den Leichnam im Wagen unterzubringen.
    Georg breitete seinen Mantel im Wagen aus und ließ den Toten behutsam darauf niederlegen, den Sitz nahm er fort, um genügend Raum zu schaffen. Dann kehrte er sich um, blickte Legree an und sagte mit erzwungener Ruhe:
    »Ich habe Ihnen bisher noch nicht gesagt, was ich von dieser schändlichen Geschichte halte; dies ist nicht die Zeit und der Ort dazu. Aber, mein Herr, dieses unschuldige Blut soll gesühnt werden. Ich werde diesen Mord anzeigen. Bei der ersten Magistratsperson werde ich Anklage gegen Sie erheben.«
    »Bitte«, erwiderte Legree und schnippte höhnisch mit den Fingern. »Das möchte ich sehen. Wo wollen Sie die Zeugen hernehmen? – Wie wollen Sie es beweisen? Da sehen Sie!«
    Georg konnte sich der Überzeugungskraft dieser Verteidigung nicht verschließen. Auf der ganzen Plantage gab es keinen weißen Zeugen, und vor allen südlichen Gerichten ist das Zeugnis der Farbigen gleich Null. In diesem Moment hätte er den Himmel mit dem empörten Schrei seines Herzens nach Gerechtigkeit stürmen können; aber vergebens.
    »Wozu auch soviel Aufhebens um einen toten Nigger!« sagte Legree.
    Diese wegwerfende Bemerkung fiel wie ein Funken in ein Pulverfaß. Klugheit gehört nicht zu den Haupttugenden der Jungen Kentuckys. Georg fuhr herum und schlug mit einem hitzigen Schlag zu, so daß Legree auf das Gesicht stürzte, und als Georg noch sprühend vor Zorn und Entrüstung über ihm stand, da gab er keine schlechte Personifizierung seines großen Namensvetters ab, der über den Drachen triumphiert hatte.
    Manchen Menschen jedoch tut es entschieden gut, wenn sie einmal umgelegt werden. Wenn ein Mann sie glatt in den Staub wirft, scheinen sie sofort Respekt zu bekommen; zu dieser Sorte gehörte Legree. Als er daher aufstand und sich den Staub aus den Kleidern klopfte, sah er dem langsam verschwindenden Wagen mit einiger Betroffenheit nach und öffnete nicht eher den Mund, als bis er außer Sicht war.
    Jenseits der Plantagengrenze hatte Georg eine sandige, trockene Stelle bemerkt, die im Schatten einiger Bäume lag; dort schaufelten sie das Grab.
    »Sollen wir den Mantel abnehmen, gnädiger Herr?« fragten die Neger, als das Grab fertig war.
    »Nein, nein; begrabt ihn darin. Es ist alles, was ich dir mitgeben kann, armer Tom, und das sollst du haben.«
    Sie legten ihn hinein; und die Leute schichteten schweigend den Hügel auf. Sie klopften ihn fest und legten grünen Rasen
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