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Onkel Horatios 1000 Sünden

Onkel Horatios 1000 Sünden

Titel: Onkel Horatios 1000 Sünden
Autoren: Richard Gordon
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erzähl mir nichts», verwahrte sich George. «Hier in Oxford magst du dir ziemlich abgebrannt Vorkommen. Aber das akademische Leben läßt sich mit der Praxis nie vergleichen. Dein alter Herr muß doch sicher recht gut bei Kasse sein? Denk doch nur an den üppigen Empfang, den er seinen Autoren bei seinem letzten literarischen Abend bereitet hat.»
    «Es handelt sich nicht um mein Geld, sondern um ihres. Sie ist Abigail Fitzhammond.»
    «Was, die Tochter des Schiffsmagnaten, der ständig neue Unternehmen dazukauft?»
    Teddy nickte.
    George stieß einen leisen Pfiff aus. Er erblickte darin kein Hindernis, es sei denn, das Mädchen sah aus wie das Heck eines Autobusses, und selbst dann müßte es sich schon um einen reichlich alten und verschrammten Autobus handeln.
    «Ich bin mit ihrem Bruder Fabian zur Schule gegangen», erinnerte er sich. «Sag, stimmt es, daß der alte Knabe im Bett Bilanzen liest?»
    «Ich weigere mich, mir meinen Weg durch die Millionen der Fitzhammonds ebnen zu lassen», fuhr Teddy fort und reckte dabei seine Brust so heftig heraus, daß er beinahe seine Rückenwirbel brach. «Und was Abigail betrifft, ist sie der Ansicht, daß man niemals den Kontakt mit dem Volk verlieren dürfe. Sie hat für Geld nur Verachtung übrig», schloß er. «Sie ist ein ganz außergewöhnliches Mädchen.»
    «Wirklich außergewöhnlich», gab George ihm aus vollem Herzen recht.
    Obwohl es gar nicht so außergewöhnlich für die Tochter eines Finanzgewaltigen ist, die meistens aussah, als sei sie eben aus dem ersten Haute-Couture-Salon - mit einem kleinen Abstecher zu Cartier - gekommen, auf dem Trafalgar Square sitzend gefunden zu werden. Sie brauchen doch bloß die Bow Street-Strafregister der letzten paar Jahre durchzublättern. Ich nehme an, hier bietet sich den Magnatentöchtern heute, da man die Debütantinnen abgeschafft hat, die letzte Möglichkeit, ihre Fotos in die Zeitungen gelangen zu lassen.
     
    Aber der Pfad wahrer Liebe verwandelte sich in eine Sackgasse, und nun trabte Teddy hocherhobenen Hauptes aus dem Restaurant, und sein Vater sah den leeren Stuhl an wie ein Rasenstück, das eben erst von einer Schlange geräumt worden ist.
    Draußen war ein herrlicher Nachmittag - einer jener wunderbaren Maientage, an denen England sich unter den ersten scheuen Sonnenstrahlen wie eine Vollreife schlafende Schönheit rekelt, die Rasenmäher über die Zäune der Hintergärten vergnügt miteinander klatschen, die Vögel unbeschwert auf den Fernsehantennen zwitschern und selbst die Gartenzwerge in den Vorgärten einander zuzuwinken scheinen. Auf dem Lande erfüllten die Bienen und die Blüten ihre Pflicht, und die ersten Glockenblumen tauchten auf den Satteltaschen der Radfahrer auf. Unten am Meer wendeten die Vermieterinnen die Matratzen um, und selbst die grauen Straßen Londons, in denen Teddy nun fürbaß zog, wurden von den Anzeichen des erwachenden Jahres belebt, da die Busfahrer wegen des Sommerfahrplanes in Streik traten und Abigails Kollegen begannen, Whitehall hinabzumarschieren und schon für den nächsten Tag die totale Vernichtung der Welt durch die Atombomben vorherzusagen.
    Teddy wanderte Piccadilly hinunter und hatte kein Auge für die Mittagspausenmenge, die so farbenprächtig aussah wie direkt aus einem Walt Disney-Film herausgeschnitten. Er blieb stehen, als er ein Plakat entdeckte, auf dem stand «Berühmte TV-Persönlichkeit gestorben», und kaufte eilig eine Zeitung, weil er wissen wollte, ob die Nemesis bei Professor Needler ganze Arbeit geleistet hatte. Aber er fand bloß einen Absatz unter den komischen Gerichtssaalwitzen, der vom Ableben eines unglücklichen Mannes berichtete, der vor Zeiten einmal dadurch von sich reden gemacht hatte, daß er «Den verlorenen Akkord» auf einer Säge gespielt hatte. Teddy warf die Zeitung weg und schritt ziellos weiter, bis er sich im St. James Park wiederfand. Er entdeckte eine leere Bank und setzte sich. Er versuchte, den bewußten Silberstreifen am Horizont zu entdecken und stellte fest, daß er so dünn war wie das Chrom auf einem modernen Serienauto.
    Vor wenigen Tagen war er im Besitz einer verheißungsvollen Karriere, einer wunderschönen Braut und eines liebevollen und wohlhabenden Vaters gewesen. Nun waren alle drei verschwunden wie Eisberge im Golfstrom. Das Leben erschien ihm verwirrend und undurchsichtig wie das «Warten auf Godot». Denn man darf nicht vergessen, daß Teddy, obwohl er als Gesandter vermutlich Metternich den Drei-Karten-Trick
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