Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Onkel Horatios 1000 Sünden

Onkel Horatios 1000 Sünden

Titel: Onkel Horatios 1000 Sünden
Autoren: Richard Gordon
Vom Netzwerk:
dunkelrot angelaufen war und so bebte wie das Weingelee, das am gegenüberliegenden Tisch gereicht wurde. «Übrigens», ergänzte er rasch, «fällt mir eben ein - heute fand die Schlacht von Seringa-patam statt. 1799.»
     

2
     
    Es ist eine merkwürdige Sache, aber wenn man den Kopf nur genügend lange in den Sand steckt, während das Schicksal beginnt, einem die Schwanzfedern auszurupfen, greift es bald mit vollen Händen zu.
    Bloß zwei Tage vor seiner Unterredung mit Professor Needler war Teddy Brickwood einer der glücklichsten jungen Männer gewesen, die jemals eine Rechnung bei Blackwell auflaufen oder bei Randolph ein Glas Bier in die Kehle hinunterrinnen ließen. Es war einer jener prächtigen Maiennachmittage. Die Universität von Oxford ließ sich ihre alten Quadern von der Frühlingssonne wärmen, und als er aus den Fenstern seines Zimmers blickte, rührte die einzige Bewegung in dem stillen, viereckigen Universitätshof von den Blumen her, die sich schläfrig in ihren Blumenkästen vor den Fenstern wiegten. Hinter ihm wartete bereits der fertig gedeckte Teetisch mit den Gurkenbrötchen auf ihn. Der Teetopf schnurrte behaglich auf dem Kocher. Neben ihm am Fenstersims rekelte sich eines der schönsten Mädchen Londons.
    «Prachtvolles Wetter», bemerkte Teddy.
    «Ja, Liebling», sagte sie.
    Er seufzte. «Bloß drei Monate noch», fuhr er fort, «dann werden wir beide inmitten des Kristallglases und der Silbersachen stehen und als Mann und Frau den Hochzeitskuchen verteilen.»
    «Ja, Liebling.»
    «Manchmal kann man es kaum glauben, nicht wahr?»
    «Ja, Liebling.»
    Er schwieg, während die Glocken von Oxford, die ihre durchaus eigenwilligen Ansichten hatten, vier Uhr schlugen und dazu fünf Minuten brauchten.
    Das Mädchen schraubte seinen Lippenstift auf. «Übrigens, Liebling», sagte sie, «die Fische werden fort müssen.»
    «Die Fische?» Er riß die Augen auf. «Du meinst meine Fische?»
    «Ja, Liebling.»
    Teddys Blick wanderte zärtlich zu den Tropenfischen in dem Aquarium, in dem das Wasser bescheiden über seinem Bücherschrank vor sich hinplätscherte. Er hatte seine Sammlung während seiner Schulzeit begonnen und ihr zahllose Langspielplatten, Coca-Colas und Haarschnitte geopfert. Seit damals gehörten die Fische so untrennbar zu ihm wie die sieben Zwerge zu Schneewittchen. Er fand sie einfach unwiderstehlich, ganz besonders jene Exemplare, durch deren Körper man glatt hindurchsehen konnte. Er bildete sich sogar ein, ihnen einige einfache Kunststückchen beigebracht zu haben. Sie mögen es sonderbar finden, daß jemand sein Herz an diese kleinen Tiere hängt. Aber bei manchen Leuten sind es Hunde, bei Teddy waren es zufällig eben Fische.
    «Fort?» fragte er verständnislos. «Wohin denn?»
    «In die Fischhalle oder ins Aquarium oder wohin du willst, Liebling. Aber ich teile mein Heim nicht mit den Fischen und mit dir.»
    «Ganz im Gegenteil, Abigail.» Er wurde hartnäckig und konnte kaum fassen, daß das Mädchen geruhsam sein Gesicht zurechtmachte und gleichzeitig seinen Freunden den Abschied gab. «Ich betrachte diese Fische als Teil meiner Ausstattung.»
    Sie schloß den Lippenstift mit einem Klicken. «Und ich weigere mich absolut, meinen Salon mit Fischen zu bereichern.»
    «Ach, wenn es weiter nichts ist! Ich hatte die Absicht, sie im Schlafzimmer aufzustellen.»
    «Im Schlafzimmer?»
    Er nickte. «Ja, wenn ich ihnen zusehe, wie sie lautlos hin und her gleiten, schlafe ich bedeutend leichter ein. Ich bin überzeugt, sie tun dir um vieles besser als Schlafpulver.»
    Sie sprang auf. «Verstehe ich dich recht, daß du mir zumutest, mich allabendlich vor einem Aquarium voll Fischen zu entkleiden?»
    «Ja, warum denn nicht?»
    Sie zog die Augenbrauen empor, als er mit dem Fuß aufstampfte. «Weil ich das ausgesprochen abstoßend finde.»
    «Verdammt, Abigail!» schrie Teddy, der die Geduld verlor. «Weißt du nicht, daß es ein Zeichen von Zivilisation ist, der stummen Kreatur gegenüber freundlich zu sein?»
    «Ach, tatsächlich?» trumpfte sie auf. «Wenn das so ist, dann darfst du mich zu den Barbaren zählen.»
    «Hör mal, wenn du irgendeinen krankhaften Verfolgungswahn gegenüber meinen Fischen entwickelt hast, dann kann ich nur sagen, es ist höchste Zeit, daß du einen Psychiater aufsuchst und deinen Geisteszustand überprüfen läßt.»
    «Ich spreche nicht von deinen Fischen.» Sie näherte sich ihm wie eine gutgepflegte Tigerin, die eine Verabredung zum Mittagessen hat.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher