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Onkel Horatios 1000 Sünden

Onkel Horatios 1000 Sünden

Titel: Onkel Horatios 1000 Sünden
Autoren: Richard Gordon
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hätte andrehen können, erst ein junges Reis war und das savoir faire noch nicht recht beherrschte.
    Seine Blicke wanderten zum Foreign Office, genau an den Pelikanen vorbei. Diese Pforten würden ihm nun für immer verschlossen bleiben. Er war darüber nicht sehr unglücklich. Und ich muß sagen, ich kann ihm das nicht übelnehmen, denn ich kannte einmal einen Mann vom diplomatischen Corps, und wenngleich es ein geradezu göttliches Vergnügen sein muß, die Freundin eines ausländischen Kriegsministers mit Champagner einzukochen, während sie aus dem Rand ihres Strumpfes die Pläne der neuesten ferngesteuerten Rakete hervorzaubert, so erreicht man dieses Stadium doch erst nach vielen Jahren mühseliger Plackerei in Whitehall, wo man einen steifen Kragen tragen und jedes Schreiben in dreifacher Ausfertigung tippen muß.
    Teddys zartes Gemüt, das in reinsten akademischen Gewässern großgezogen worden war, durchforschte die rauhen Möglichkeiten eines baldigen Gelderwerbs. Insgeheim war er davon überzeugt, einige einfach großartige Beiträge für Die Schlachtbank verfaßt zu haben, ganz zu schweigen von seinem zwerchfellerschütternden Bericht in der Studentenzeitung über jemanden, der sich beim Seniorenfußball das Bein gebrochen hatte. Er hatte auch ein ziemlich aggressives Bühnenstück über jene Böcke beendet, die von den alten Leuten dieser Welt, also Menschen über vierzig, geschossen werden. Aber er war ein besonnener junger Mann, der erkannte, daß er viel bisher Versäumtes nachholen mußte, ehe man ihn für den Autor von halten würde. Tatsächlich allerdings war Teddy im Grunde seines Herzens um nichts bissiger als Enid Blyton. Er war einfach ein gesunder junger Mann, der gern «Bäh!» zu seinen Professoren sagte und in die Gegenwart genauso ausgezeichnet hineinpaßte wie in seine enganliegende Hose.
    Teddy saß eine Weile grübelnd da und tauschte Blicke mit einer ziemlich neugierigen Taube. Er fand, daß Professor Needler zumindest seinen Lebensweg von einigem Ballast befreit hatte. Als sie an jenem Morgen Oxford im MG George Churchyards verließen, hatten sie gehofft, daß Mr. Brickwood vielleicht das Kapital zur Eröffnung eines Kabaretts zur Verfügung stellen würde. Nun allerdings konnte er mit der gleichen Berechtigung erwarten, daß Mr. Brickwood eine Ölbohrung am Piccadilly Circus finanzieren würde. Ein Betätigungsfeld schien sich ihm aufzudrängen: Er mußte das Familienkapital retten, indem er Brickwood & Vole aus der Gosse zog und den Verlag modernisierte. Dieser Aufgabe wollte er sich voll und ganz widmen, beschloß er energisch, um so mehr, als er sich nun aus einer höchst unvernünftigen weiblichen Umgarnung befreit hatte.
    Er fröstelte plötzlich, und ein Blick auf seine Uhr belehrte ihn zu seiner Überraschung darüber, daß es bereits sechs geworden war. Er stand auf. Das unmittelbare Problem bestand darin, einen Unterschlupf für die Nacht zu finden. Es schien am besten, dem Eaton Square und seinem Vater aus dem Weg zu gehen, der in einer Stimmung wie Herodes der Große heimkommen würde, nachdem sich die Wirkung einer Flasche Cognac verflüchtigt hatte.
     

4
     
    «Vater», verkündete Teddy, «es tut mir leid.»
    «Ach, hallo, mein Junge.» Mr. Brickwood blickte von seiner Abendzeitung auf, die er in seiner Wohnung auf dem Eaton Square gelesen hatte. Die Wohnung lag auf dem flachen Dach eines Hochhauses und entsprach also genau jenem Musterbeispiel, das ständig für die Illustrierten fotografiert wird, um den Lesern der Vorstadt Wohnkultur vorzuführen. Es blieb mir immer ein Geheimnis, wie es so vielen Menschen in London gelingt, inmitten des größten Luxus bankrott zu machen.
    «Es geht mich natürlich nichts an», fuhr sein Vater fort, «aber wo hast du die letzten paar Nächte verbracht? Ich hoffe, in einer recht ansprechenden Umgebung?»
    «Ich fand ein kleines Hotel hinter dem Britischen Museum. Zum Frühstück sind zwar allerlei verdächtige Gestalten aufgetaucht, aber sonst war es ganz ordentlich.»
    «Ich habe dich vor dem Restaurant gesucht», teilte Mr. Brickwood ihm freundlich mit. «Es kam mir in den Sinn, daß du dich entweder in die Themse oder in die Arme wenig wünschenswerter Frauen stürzen könntest. Sonderbar ist das in London, nicht wahr? Die Leute, die man treffen möchte, verschwinden rascher als die Taxis bei einem Platzregen, während jene, die man zu meiden wünscht, einem ständig über den Weg laufen. Falls du hier
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