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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort
Autoren: Linwood Barclay
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würden ihre Sorgen Kalorien verbrennen. Mal ganz abgesehen davon, dass wir uns die Mitgliedschaft in einem Fitnessclub sowieso nicht leisten konnten.
    Wie bereits erwähnt bin ich Englischlehrer an einer Highschool, und Cynthia arbeitet in einer Boutique, obwohl sie eigentlich einen Abschluss in Psychologie hat und eine Zeitlang als Sozialarbeiterin tätig war. Wir schwimmen also nicht gerade im Geld. Unser Haus – groß genug für uns drei, in einer ganz normalen Wohngegend, nur ein paar Blocks von Cynthias früherem Elternhaus entfernt – stottern wir ab, und etwa einmal im Jahr können wir es uns leisten, eine doppelte Rate abzuzahlen. Unsere Autos sind beide zehn Jahre alt. Im Sommer machen wir immer eine Woche Urlaub im Ferienhaus meines Onkels in der Nähe von Montpelier, und vor drei Jahren, an Grace’ fünftem Geburtstag, waren wir in Disneyworld; wir wohnten in einem billigen Motel in Orlando, wo sich um zwei Uhr morgens der Typ von nebenan lautstark bei seiner Gespielinbeschwerte, verdammt noch mal vorsichtig mit ihren Zähnen zu sein.
    Trotzdem, alles in allem führen wir ein recht gutes Leben und sind eigentlich auch ziemlich glücklich.
    Nur ab und zu haben wir unsere kleinen Probleme. Wie eben auch an jenem Morgen.
    »Mit Grace’ Lehrerin«, sagte ich.
    »Und warum?«, fragte Cynthia.
    »Ach, einfach so, auf dem nächsten Elternabend«, sagte ich. »Letztes Mal warst du ja allein bei Mrs Enders, weil an meiner Schule gleichzeitig Elternabend war.«
    »Sie ist sehr nett«, sagte Cynthia und wandte sich an Grace. »Tausendmal netter als deine letzte Klassenlehrerin, wie hieß sie noch gleich? Mrs Phelps. Die war ein ganz schöner Drachen.«
    »Die alte Ziege.« Grace nickte. »Sie hat uns stundenlang auf einem Bein stehen lassen, wenn wir unartig waren.«
    »Ich muss los«, sagte ich und trank noch einen letzten Schluck kalten Kaffee. »Cyn, ich glaube, wir brauchen eine neue Kaffeemaschine.«
    »Ich kümmere mich drum«, sagte Cynthia.
    Als ich aufstand, warf Grace mir einen flehentlichen Blick zu. Ich wusste, was sie wollte. Sprich mit ihr. Bitte, bitte, sprich mit ihr.
    »Terry, hast du irgendwo den Ersatzschlüssel für die Haustür gesehen?«, fragte Cynthia.
    »Hmmm?«, machte ich.
    Sie zeigte auf den Haken neben der Tür, die in unseren kleinen Garten führt. »Da hing er doch, oder?«
    »Ja, ich glaube schon. Grace, hast du den Schlüssel genommen?«
    Sie schüttelte den Kopf und starrte mich missmutig an.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Kann sein, dass ich ihn selbst eingesteckt habe. Ich sehe später in meiner Jeans nach.« Ich drückte mich an Cynthia vorbei, atmete kurz den Duft ihres Haars ein. »Bringst du mich zur Tür?«
    Sie folgte mir. »Stimmt irgendwas nicht?«, fragte sie.
    »Ist alles okay mit Grace? Wieso ist sie so still?«
    Ich zog eine Grimasse und schüttelte den Kopf. »Na ja, es ist wegen … Cyn, sie ist acht Jahre alt.«
    Sie trat einen Schritt zurück. »Sie beschwert sich bei dir über mich?«
    »Sie will doch einfach nur ein bisschen unabhängiger sein.«
    »Ach so, jetzt verstehe ich, worum es ging. Du wolltest nicht mit Grace’ Lehrerin reden, sondern mit mir.«
    Ich lächelte sie besänftigend an. »Sie sagt, die anderen Kids würden sich über sie lustig machen.«
    »Es gibt Schlimmeres.«
    Ich wollte etwas erwidern, aber wir hatten diese Diskussion so oft geführt, dass es schlicht sinnlos war.
    Cynthia brach das Schweigen. »Du weißt ganz genau, was alles passieren kann. Die Welt ist voller Verbrecher.«
    »Ich weiß, Cyn, ich weiß.« Ich versuchte, mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. »Aber wie lange willst du sie noch zur Schule bringen? Bis sie zwölf ist? Oder fünfzehn? Willst du damit noch weitermachen, wenn sie zur Highschool geht?«
    »Damit kann ich mich dann immer noch beschäftigen.« Sie hielt inne. »Ich habe den Wagen wieder gesehen.«
    Den Wagen. Dauernd redete sie von irgendwelchen Wagen.
    Sie sah an meiner Miene, dass ich ihrer Beobachtung keinerlei Bedeutung zumaß. »Du hältst mich für verrückt«, sagte sie.
    »Überhaupt nicht.«
    »Ich habe ihn zweimal gesehen. Einen braunen Wagen.«
    »Was für eine Marke?«
    »Keine Ahnung. Ein ganz normaler Wagen. Mit getönten Scheiben.«
    »Und wie oft hast du ihn gesehen?«
    »Mindestens zweimal. Er ist an mir und Grace vorbeigefahren. Und mir ist deutlich aufgefallen, dass er dabei langsamer geworden ist.«
    »Und der Fahrer? Wie sah er aus?«
    »Ich habe dir doch gesagt, dass
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