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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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auf unsere Bestellung warteten, hatte er allein bereits eine Flasche
Shiraz
geleert; eine zweite, die er zum Essen geöffnet hatte, stand halbleer vor ihm. Sein Kung-Pao-Huhn lag noch unberührt auf dem Teller neben der Weinflasche. Tolu, die die flirtende Linda die ganze Zeit wütend angestarrt hatte, räusperte sich.
    »Schmeckt Ihnen das Essen nicht, Mr. Zaq?«
    »Zaq ist eigentlich mein Vorname.«
    »Oh, Entschuldigung, Mr …«
    »Und gleichzeitig mein Familienname. Seit ich Journalist bin, und das bin ich schon ziemlich lange, trage ich nur noch einen Namen.«
    Tolu war sprachlos. Je weiter der Abend voranschritt und sich ihre Enttäuschung steigerte, desto größer wurde mein Mitleid mit ihr. Zaq hob sein volles Glas und schwenkte es, während er sich vorbeugte und zu Ms. Ronke umdrehte und Tolu dadurch den Rücken zukehrte.
    »Passt auf, ein Rätsel. Ein Irrer haut aus dem Irrenhaus ab. Er überquert einen Fluss und begegnet einigen Wäscherinnen, er vergewaltigt sie, naja, nicht alle, weil das wirklich nicht möglich wäre …«
    Ms. Ronke zwinkerte ihm zu und wischte eine Strähne ihrer Perücke zur Seite.
    »Das hängt wohl eher davon ab, wie … talentiert er ist?«
    Vor langer Zeit hatte Ms. Ronke gemeinsam mit Zaq bei einer Lagoser Zeitung gearbeitet. Sie war über zehn Jahre Journalistin, bevor sie als Dozentin anfing, und konnte es mit jedem Mann in allem aufnehmen, auch bei zotigen Witzen. Linda kicherte. Tolu warf ihr einen wütenden Blick zu und räusperte sich.
    »Ehrlich Zaq … Sir, das Thema Vergewaltigung ist sehr heikel, die meisten Frauen würden den Witz dabei nicht unbedingt verstehen … ich meine …«
    Zaq nickte.
    »Sie haben völlig Recht, aber denken Sie daran, dass Sie als Reporterin da draußen Schlimmeres erleben. Nun, wie ich gerade gesagt habe, dieser gut ausgestattete und talentierte Irre vergewaltigt alle Wäscherinnen und haut ab. Hier also die Frage: Nehmen wir an, Sie wären Journalist und sollten über die Vergewaltigungen berichten; Sie haben Ihre Geschichte geschrieben und brauchen jetzt noch eine Überschrift. Ein Redakteur, der Ihnen aushelfen könnte, ist nicht greifbar. Die Schlagzeile muss witzig sein, wahrhaftig, faszinierend, unwiderstehlich und mit ein wenig literarischem Anspruch daherkommen. Wie könnte sie lauten?«
    Tolu stocherte mit der Gabel in ihrem Essen herum und blickte nicht auf. Ich nippte an meinem Glas und machte den Anfang.
    »Achtung: Gefährlicher Irrer unterwegs.«
    Zaq neigte den Kopf.
    »Zu schaurig, nicht witzig genug. Der Nächste. Los, Ronke, versuch’s mal.«
    »Wie wär’s mit: Irrer Vergewaltiger kreuzt Ihre Wege?«
    Malik hob die Hand, gab sich geschlagen und lachte.
    »Ich geb auf, Zaq, warum sagst du’s uns nicht?«
    Aber Linda sprang bereitwillig ein, legte die Hand auf Zaqs Arm und zwinkerte ihm zu.
    »Halt. Ich bin dran, ich bin dran. Ich versuch’s: Gefährlicher Irrer und Vergewaltiger ausgebrochen. Läuft frei herum. Vorsicht.«
    »Zu lang. Zu gebetsmühlenartig. Wo bleibt die Ästhetik, und wo der Witz? Übrigens, Folu, das ist eine wahre Geschichte. Die ist tatsächlich geschehen.«
    »Tolu.«
    »In Ordnung. Tolu. Auch mal versuchen?«
    Tolu nippte an ihrem Glas und weigerte sich zu reden. Linda kicherte und ließ sich schwer gegen Zaq sinken. Sie hatte nur ein einziges Glas Wein getrunken, aber ihre Augen waren bereits trüb und die Wörter kamen undeutlich aus ihrem Mund. Zaq stützte beide Ellbogen auf den Tisch, umklammerte sein Glas mit einer Hand, und seine Stimme wurde leise, wie die eines Trainers, der ein paar ermutigende Worte spricht.
    »Erstens, ihr konntet die Antwort nicht finden, weil man sich die perfekte Überschrift nicht ausdenken kann; sie muss einem einfallen. Sie ist eine Eingebung. Eine Offenbarung. Man kann sich eine großartige Überschrift ausdenken, niemals aber eine perfekte. Die perfekte Überschrift fällt dir immer erst ein, nachdem deine Story veröffentlicht ist. Immer zu spät. Also, der Typ hatte Glück: Sie fiel ihm ein, als er sie brauchte.«
    »Mach schon, Zaq. Sag sie uns.«
    »›Rad ab, Waschweiber genagelt, getürmt‹! Haha! Na, wie ist die?«
    ***
    Als wir jetzt in Chief Ibirams Empfangszimmer saßen, weit weg von Ikeja und chinesischen Restaurants, fragte ich mich plötzlich, wo Tolu stecken mochte. Unsere Mitschüler waren allesamt davon überzeugt gewesen, dass sie die besten Aussichten hatte, berühmt zu werden, und ich war mir sicher, eines Tages den Fernseher einzuschalten
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