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Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman

Titel: Der Minister und das Mädchen - Kriminalroman
Autoren: Grafit
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I
     
     
    »Wolfgang Schwarz ist der kommende Mann«, sagte Till Geskamp.
    Geskamp musste es wissen, denn er war Schwarz’ Büroleiter, also wahrscheinlich der Mensch, der dem münsterschen Bundestagsabgeordneten am nächsten stand.
    Geskamp verschränkte die Arme über dem vorgewölbten Bauch. »Da ist ein Minister drin, oder mindestens ein PS.«
    Ich lächelte amüsiert. »Ein PS?«
    »Parlamentarischer Staatssekretär, der Stellvertreter des Ministers. Nettes Gehalt plus Bezüge als Bundestagsabgeordneter. Ein PS reist viel herum und hält kluge Reden. Die eigentliche Arbeit im Ministerium macht der beamtete Staatssekretär, weißt du. Der PS ist für die Sahnejobs da. Aber«, die schwabbeligen Wangen flammten auf, Geskamp redete sich in Fahrt, »der PS ist nur die Rückzugslinie, wir bauen voll darauf, dass Wolfgang Minister wird.«
    »Für den Fall, dass …«
    »Wir werden die Bundestagswahl gewinnen«, unterbrach mich mein Besucher. »Bayern-Wahl hin oder her, es läuft alles nach Plan.«
    »… dass Schwarz Minister wird«, fuhr ich fort, »ist für dich wohl auch einiges drin?«
    Geskamp formte mit den Lippen ein genießerisches O. »Darauf kannst du einen lassen. Zunächst gehe ich als Persönlicher Referent mit ins Ministerium. So nach ein, zwei Jahren, wenn die Schamfrist vorüber ist, schieben wir einen präsenilen Ministerialdirektor aufs Altenteil, und ich übernehme eine Abteilung. Vielleicht die für Grundsatzfragen, Grundsatzfragen lagen mir schon immer. Mit Chauffeur und Dienstwagen der S-Klasse. Wofür habe ich schließlich jahrelang so hart geschuftet?«
    Till Geskamp war plötzlich im Detektivbüro Wilsberg & Partner aufgetaucht. Wir kannten uns flüchtig, so wie man in Münster jeden und jede in einem bestimmten Alter und ab einem gewissen Bildungsgrad flüchtig kennt, weil die Stadt klein genug ist, um sich bei allen möglichen Gelegenheiten über den Weg zu laufen, selbst wenn es nur der Wochenmarkt auf dem Domplatz oder das Stadtteilfest im Kreuzviertel ist.
    Meine Bekanntschaft mit Till Geskamp ging zurück auf eine Zeit, in der ich mit Imke eine mehr oder weniger glückliche Ehe führte. Damals war unsere Tochter Sarah gerade ein Jahr alt, und Imke machte sich Sorgen um Sarahs Zukunft als Verkehrsteilnehmerin. Ich war nicht begeistert, aber um des häuslichen Friedens willen gab ich nach, und wir beteiligten uns an den Aktivitäten der Bürgerinitiative für ein verkehrsberuhigtes Kreuzviertel .
    Bei den Versammlungen der Initiative führte Till Geskamp das große Wort. Er hatte Politik und Soziologie studiert, plante eine Parteikarriere und wollte die Bürgerinitiative nutzen, um sein Bild möglichst oft in den Tageszeitungen zu sehen. Mir war das vollkommen gleichgültig, denn weder hatte ich eigene Ambitionen noch glaubte ich daran, dass wir mit mehr Einbahnstraßen, breiteren Bürgersteigen und verkehrsbehindernden Schwellen und Grünbuchten dem Paradies auf Erden einen entscheidenden Schritt näher kommen würden.
    Die Bürgerinitiative hatte tatsächlich einigen Erfolg gehabt, sie entsprach dem damaligen Zeitgeist und, mit einiger Verzögerung, der Verkehrspolitik der Stadtverwaltung.
    Inzwischen wurden die Straßenschwellen und Grüninseln wieder abgerissen. Die heutigen Bürgerinitiativen bestanden aus Kaufleuten und Kneipiers, die sich für den ungehinderten Verkehrsfluss und genügend Parkmöglichkeiten ihrer Kundschaft starkmachten.
    Und auch Till Geskamp hatte sich anderen Themen zugewandt. Er war die rechte Hand von Wolfgang Schwarz geworden, einem Strahlemann und Hoffnungsträger seiner Partei, den ich nur von Wahlplakaten und Fernsehsendungen kannte. Auf den Plakaten trug Schwarz einen eleganten, gedeckten Zweireiher, wahrscheinlich gefärbtes Haar und ein blitzendes Tigerlächeln. Außerdem warb er für eine moderne Zukunft. Was auch immer das war.
    Mit Till Geskamp war schon die jüngste Vergangenheit nicht allzu gnädig umgegangen. Seit unserer Bürgerinitiativzeit hatte er ungefähr zwanzig Kilo zugelegt, das Haar war ihm bis auf einen strähnigen Rest ausgefallen, das Kinn hatte sich verdoppelt, und die Nickelbrille klemmte auf Fleischwülsten, die, abgesehen von kreisroten Flecken, einen Stich ins Milchig-Ungesunde aufwiesen. Der Job eines Bundestagsassistenten musste ziemlich stressig sein, vor allem, wenn man den cholesterinhaltigen Happen auf allen möglichen Empfängen nicht widerstehen konnte. Ich schätzte Geskamp auf etwa vierzig.
    Natürlich glaubte ich
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