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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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bevölkerten, lärmenden Strand hinüber. Ich bezahlte die jugendlichen Wegelagerer am Behelfstor, und wir gingen hinein. An einer Stelle, an der das Wasser uns nicht erreichen konnte, legte ich Zaq in den Sand, und als wir nebeneinander lagen, schliefen wir auf der Stelle ein. Am Morgen weckte er mich und zeigte nach Osten auf die riesige rote Sonne, die gerade aus dem blauen Wasser auftauchte.
    »Wunderschön.«
    »Ja, wunderschön.«
    Um uns herum lagen Leute über den gesamten Strand verstreut: Betrunkene, die langsam mit ihrem Kater erwachten; Vagabunden und Irre, erschöpft vom ziellosen Umherziehen; Liebespaare, die sich kein Hotelzimmer für die Nacht leisten konnten. Ich war zwanzig. Am Tag zuvor war ich von der School of Journalism abgegangen, und anstatt heim nach Port Harcourt zu fahren, war ich geblieben, um mir Zaqs Vortrag anzuhören und vielleicht eine Anregung zu erhalten. In Wahrheit hatte ich gar keine Pläne, kein Job wartete auf mich. Mein großer Wunschtraum war natürlich, eines Tages so zu sein wie Zaq: Geachtet im ganzen Land wegen meiner ausgeprägt liberalen Ansichten und Leitartikel zu schreiben, die mit großer Ehrfurcht gelesen wurden. Doch hatte mir das Rumhängen mit ihm in der vergangenen Nacht keinerlei Klarheit darüber gebracht, wie ich meine Ambitionen verwirklichen sollte. Bevor wir auseinandergingen, gab er mir seine Nummer, und damit hatte ich zumindest mehr erreicht als Tolu. Ich bedankte mich bei ihm und wandte mich zum Gehen.
    »Wie heißt du?«
    »Rufus.«
    »Rufus, du hast die Geduld, die irgendwann mal einen großen Reporter aus dir machen kann.«
    Ich sah ihm hinterher, wie er auf eine provisorische Bar zuging, an der ein paar wenige frühe Kunden sich an einem Katerbier versuchten. Vielleicht waren es aber auch noch Kunden aus der vergangenen Nacht, die ihre letzte Bestellung leerten. Er setzte sich und winkte den Barkeeper heran.
    ***
    Um mir die Zeit zu vertreiben, brachte ich mein Reporternotizbuch auf den neuesten Stand, wie ich das jeden Morgen tat, seit wir die Spur der weißen Frau aufgenommen hatten. Ich saß da, den Rücken an die Wand gelehnt, und während Zaq abwesend an Chief Ibirams Radio herumspielte, schrieb ich alles auf, was ich erlebt hatte, seit wir Irikefe hinter uns gelassen hatten: die verlassenen Dörfer, die trostlose Landschaft, die Abgasfackeln, die immer irgendwo in der Ferne brannten. So detailgetreu wie möglich gab ich die brutale Verhaftung Karibis wieder, und während ich schrieb, fielen mir die Worte seines Sohnes wieder ein:
Man bringt ihn nach Port Harcourt, wo er wegen Verbrüderung mit den Rebellen angeklagt und verurteilt werden wird
.
    Zaq schlief auf dem Stuhl ein. Ich hatte Hunger, und weil es nicht so aussah, als sollte bald jemand kommen und uns etwas zu essen bringen, beschloss ich, selbst auf die Suche zu gehen. Ich stand auf und öffnete die Tür, durch die gestern das Mädchen mit der Lampe und dem Essen gekommen war. Ich fand mich in einem halboffenen Durchgang wieder, der das Empfangszimmer von anderen Bereichen des Hauses trennte, vermutlich der Küche und den Vorratsräumen. Von hier konnte ich die anderen Häuser erkennen, und ich konnte Kinder- und Frauenstimmen ausmachen. Die Frauen standen in einem offenen Verschlag um einen Herd herum, wahrscheinlich räucherten sie Fisch. Der Rauch stieg vom Herd durch das Schilfdach des Verschlages auf und verteilte sich am trüben, bewölkten Himmel. Ich machte die erste Tür zu meiner Rechten auf und entdeckte mehrere Kinder, fünf ungefähr und alle etwa im selben Alter, die um eine alte Frau herum saßen. Sie erzählte ihnen eine Geschichte. Sie schauten zu mir auf, und mein Schatten fiel vor ihnen auf den Fußboden, während ich in der halb geöffneten Tür stand und versuchte, in dem dunklen Zimmer etwas zu erkennen. Ich zog mich zurück und ging zu einer anderen Tür, und diesmal kam ich am richtigen Ort heraus. Es war die Küche, nur war sie leer, von einigen Töpfen und Tiegeln abgesehen, die auf dem rußgeschwärzten Tisch standen. In einem Winkel befand sich ein Wassertopf, über dem an einem Strick eine Plastiktasse hing. Ich trank, doch als ich mich umdrehte, um wieder zu gehen, trat die alte Frau ein und blieb in der Tür stehen, ohne mir jedoch den Weg zu versperren.
    »Hallo, ich suche den alten Mann … und den Jungen. Wir sind gestern zusammen gekommen. Und … etwas zu essen …«
    Sie nickte unentwegt, während ich redete, ein freundliches Lächeln auf dem
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