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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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faltigen Gesicht, und während sie lächelte, wiederholte sie dasselbe Wort: Ja. Sie konnte mich möglicherweise nicht verstehen, und weil ich die lokale Sprache nicht sprach, ahmte ich einfach das Essen nach – führte meine Rechte zum Mund.
    »Was zu essen, bitte.«
    Sie lachte und nickte zum Zeichen, dass sie verstand.
    »Ja, ja.«
    Sie brachte mir eine Schale voll Maisbrei – er war warm und widerlich süß, aber er machte satt. Sie stand neben der Tür und sah mir beim Essen zu, nickte und lächelte die ganze Zeit. Durch die offene Tür hinter ihr drangen die Kinderstimmen vom Hof. Als ich sie fragte, wann die Männer zurück sein würden, antwortete sie nicht, lächelte aber weiter und verbeugte sich und ging rückwärts, bis sie zur Tür hinaus war.
    Danach wanderte ich hinaus in die Sümpfe. Die folgende Stunde brachte ich damit zu, durch knöcheltiefen Morast zu waten, hatte die Hosen bis zu den Knien hoch gerollt und machte Fotos von den Häusern. Die meisten Häuser waren leer; die Männer waren draußen zum Fischen und die Frauen räucherten Fisch in dem Verschlag, den ich bereits gesehen hatte. Zuletzt ging ich zu dem Verschlag hinüber. Die älteren Frauen starrten schweigend in das Objektiv: Ihre müden, faltigen Gesichter verboten weder, was ich tat, noch billigten sie es; die jüngeren Frauen kicherten selbstbewusst, wischten sich mit den Rändern ihrer Umschlagtücher hastig Asche und Schweiß von den Gesichtern; die Kinder kamen nach vorn gerannt und warfen sich, die Hände in die Hüften gestemmt, in Positur und schubsten sich gegenseitig aus dem Bild.
    Noch während ich auf dem Rückweg zu Chief Ibirams Empfangszimmer war, kehrten die Männer heim. Ich überholte sie, als sie ihre Kanus aus dem seichten Wasser wuchteten und an den Häuserpfählen festzurrten; andere trugen den Tagesfang in Plastikeimern und Flechtkörben, und, soweit ich das sehen konnte, war er nicht gerade üppig. Der Junge und das Mädchen hoben einen Korb aus einem Boot heraus, auf dessen Boden eine Handvoll dünner Fische zappelten. Als sie mich sahen, blieben die Kinder auf der Veranda stehen und warteten, dass ich etwas sagte. Sie standen nebeneinander, mit dem Korb zwischen sich auf dem Boden, die riesige, sterbende Sonne im Rücken, die sich orange und rot und rostfarben über den seichten Fluss und die Mangroven ergoss.
    »Lächeln.«
    Sie lächelten. Ich drückte den Auslöser. Ich wollte mich mit ihnen unterhalten, aber mir fiel nichts zu sagen ein. Den Jungen hatte ich jetzt schon einige Tage lang erlebt, und in dieser Zeit hatte ich nie mitbekommen, dass er viel sagte, sofern er nicht auf Fragen oder Kommandos seines Vaters antwortete, und meistens sprachen die beiden überhaupt nicht; jeder schien instinktiv zu verstehen, was der andere wollte.
    »Als ich ein Junge war, haben wir, meine Schwester und ich, auch immer Krebse gefangen.«
    Sie sahen sich an.
    »Gibt hier keine Krebse mehr. Das Wasser ist nicht gut.«
    Das Mädchen, es hieß Alali, war eher bereit zu reden. Der Junge nickte nur mit gesenktem Kopf, ein Lächeln auf den Lippen festgezurrt. Ich wollte ihnen über meine Kindheit in einem Dorf nicht allzu weit von hier erzählen. Mir wurde klar, wie sehr meine Kindheit der ihren geglichen haben musste. Barfuß sind wir vielleicht herum gelaufen, und unterernährt, doch lag das Meer direkt vor unserer Haustür und hielt immerzu Überraschungen bereit, deutete an, dass unser Leben Möglichkeiten bot. Boma und ich waren immer die ganze Nacht am Wasser und fingen Krebse, bewaffnet mit Stöcken und Korb, die Hände mit alten Lumpen umhüllt, um die Finger vor den scherenscharfen Klauen zu schützen. Normalerweise verkauften wir unseren Fang an die Marktfrauen, aber manchmal nahmen wir auch, um mehr Geld herauszuschlagen, die Fähre nach Port Harcourt, um sie an die Restaurants am Strand zu verkaufen. So kamen wir für unsere Schulgebühren auf, nachdem Vater seine Arbeit verloren hatte.
    ***
    Zaq gab sich alle Mühe, seinen Ärger zu verbergen, aber es gelang ihm nicht.
    »Ihr hättet uns sagen müssen, dass ihr den ganzen Tag weg sein werdet. Jetzt haben wir einen ganzen Tag verloren. Ich war der Ansicht, dass es euer Job ist, uns zu führen, dafür haben wir euch eingestellt.«
    Wir saßen auf der Veranda; Chief Ibiram war irgendwo im Haus und nahm ein Bad. Im Grunde genommen hatten wir den Alten gar nicht angestellt; er war einfach aus der Nacht aufgetaucht und unser Führer geworden, er und sein Sohn. Aber
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