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Öl auf Wasser - Roman

Öl auf Wasser - Roman

Titel: Öl auf Wasser - Roman
Autoren: Verlag Das Wunderhorn <Heidelberg>
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und zu sehen, wie sie eine Hauptnachricht kommentierte, oder sie irgendwann auf der Titelseite einer in Lagos erscheinenden Tageszeitung zu entdecken, die über die interessanteste Story des Jahres berichtete. Fünf Jahre waren vergangen, und in diesen fünf Jahren hatte ich Zaqs Fortkommen in den Zeitungen verfolgt, doch getroffen hatte ich ihn nicht wieder, bis jetzt nicht, nicht bis zu diesem Auftrag.
    ***
    Ich sah die Bilder jenes Abends deutlich vor mir, als würden sie aus den überfluteten und unfruchtbaren Schlammschichten da draußen herausspringen. Ich sah das wuchtige Plastikarmband an Ms. Ronkes geädertem Handgelenk, das kitschige Spielkartenmuster auf Mr. Maliks Krawatte, das behaarte Muttermal auf der blassen Wange des chinesischen Restaurantbesitzers, der sich über unseren Tisch beugte und besorgt flüsterte: Hats desmeckt? Mäa Wein, ja? Mitten im Hauptgang kippte Zaq plötzlich nach vorn, sein Gesicht verfehlte den Teller nur um Zentimeter, doch dafür stieß er das leere Weinglas um und verlor das Bewusstsein. Mr. Malik und ich packten ihn unter den Achseln und hoben ihn auf, und während die Mädchen ihre Sachen zusammensuchten, brachten wir ihn nach draußen, setzten ihn auf eine Bank am Straßenrand und hofften, dass ihn die frische Luft ins Leben zurückbringen würde, doch fühlte sich die Luft draußen nach der Klimaanlage im Restaurant schwer und feucht an und pflasterte uns eine dünne Schicht Schweiß auf die Haut. Mr. Malik zog sein Sakko aus und wedelte es über Zaqs schnarchendem Gesicht auf und ab, und bei jeder Bewegung schwang die knallbunte Krawatte an seinem Hals mit.
    »Und wie kriegen wir ihn jetzt in sein Hotelzimmer?«
    Keiner von uns besaß ein Auto.
    Ein
Molue
hielt am Bordstein. Die Passagiere stiegen aus wie Schlafwandler, die Schritte bleiern, die Köpfe gebeugt, die Gesichter dumpf und ausdruckslos. Während sie eine Weile verwirrt durcheinander stolperten und einander anrempelten, verschwanden sie nach und nach in den dunklen Seitenstraßen, wo die Glut vom Feuer einer
Akara
-Frau ihre Schatten vor sie warf, lang, verschwommen und bedrohlich. Linda sah ein bisschen missmutig aus; vielleicht war sie sauer wegen der verpassten Gelegenheit, das Bett mit dem großen Zaq zu teilen. Tolu gähnte und sah auf die Uhr, hielt ihre Tasche fest an die flache Brust gedrückt und wollte fort. Für mich aber sollte der Abend gerade erst beginnen, weil ich mich dummerweise freiwillig meldete, Zaq in sein Hotelzimmer zurückzubringen. Er kotzte die ganze Rückbank des Taxis voll und der wütende Taxifahrer setzte uns raus, nachdem er sein Geld verlangt hatte. Wir standen am Straßenrand und sahen den roten Rücklichtern des Taxis hinterher, die ihre Wut auf uns herausschrien. Dann liefen wir wohl stundenlang durch dunkle und enge Gassen, Zaqs Arm auf meiner Schulter, sein Gewicht auf meiner Seite, und alles, was ich tun konnte, war nicht hinzufallen. Wir stolperten von einer namenlosen Seitenstraße zur anderen, und häufig schafften wir es nicht, den offenen Gullis auszuweichen, die vom Unrat der Stadt überquollen; wir kamen an schwach erleuchteten Einfahrten vorüber, aus denen alternde Prostituierte mit heiseren Stimmen, denen alle Überredungskunst abging, nach uns riefen; wir kamen an einer Gruppe lungernder junger Männer vorbei, die uns lange und durchdringend musterten und uns anschließend einen Block weit folgten, bevor sie entschieden, dass es sich nicht lohnte, uns auszurauben. Als ich Zaqs Gewicht nicht länger halten konnte, ließ ich ihn wie einen Sack von meiner Schulter gleiten. Wie in Zeitlupe sank er zu Boden und blieb zusammengekrümmt sitzen, das Gesicht auf die Knie gelegt, den Rücken gebeugt. Lange saßen wir so da, auf dem Bordstein, nebeneinander, um uns die Nacht wie ein Laken, das sich nur hob, wenn gelegentlich ein Bus voll mit Passagieren an uns vorbei donnerte. Dann, als ich schon glaubte, dass Zaq eingeschlafen war, sprach er, und seine Stimme war klar.
    »Bar Beach.«
    »Wie?«
    »Wir sind am Bar Beach. Ist direkt hinter uns. Man kann das Wasser riechen.«
    Ich stand auf und drehte mich um und dort, hinter den Zaunresten, die sich neben der Straße dahinzogen, leuchtete der weiße Sand in der Finsternis, und das schäumende Wasser wusch über ihn hin. Die frische Meeresluft hatte schon eine Zeitlang zu uns herüber geweht, nur war ich zu müde gewesen, sie zu bemerken. Wieder legte ich mir seinen Arm über die Schulter und wir stolperten zum
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