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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt
Autoren: Gregg Hurwitz
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lag wie die Wohnblöcke mit dem bröckelnden Putz und die Einkaufsstraße. Auf unserer Straßenseite gab es nur Wohnhäuser, und wir redeten uns ein, dass wir in einem echten Wohnviertel wohnten und nicht nur an einer Verbindungsstraße zwischen zwei Wohnvierteln. Als wir einzogen, war ich so stolz auf das Haus. Ich kaufte Metallziffern zum Anschrauben der Hausnummer, reparierte das Verandalicht und riss die altjüngferlichen Rosenbüsche aus. Und bei allem, was ich tat, erfüllte mich so ein Optimismus, ich legte so viel Liebe hinein.
    Das gleichmäßige Geräusch der vorbeifahrenden Autos drang in den dunklen Raum, der mich umgab. Ich drückte auf einen Knopf, und das Garagentor ging langsam auf. Dann verließ ich die Garage durch eine Seitentür und stellte mich hinter die Mülltonnen. Das Fenster über der Küchenspüle gewährte einen unverstellten Blick ins Wohnzimmer, wo Ariana gerade auf der Sofalehne saß. Es dampfte aus ihrer Kaffeetasse, die sie auf ihrem Pyjamaknie abstützte. Obwohl sie die Tasse sorgfältig umklammerte, wusste ich, sie würde den Kaffee nicht trinken. Sondern weinen, bis er kalt wurde, und dann würde sie ihn in die Spüle gießen. Wie immer blieb ich wie festgenagelt stehen. Ich wusste, ich hätte zu ihr gehen sollen, aber mein letztes Restchen Stolz hielt mich davon ab. Da saß nun die Frau, mit der ich seit elf Jahren verheiratet war, und weinte. Und ich stand hier draußen und gab mich meiner stummen, zerstörerischen Verzweiflung hin. Irgendwann trat ich vom Fenster zurück. Die bizarre DVD hatte mich noch dünnhäutiger gemacht. Ich brachte es einfach nicht über mich, mich noch mehr zu bestrafen, indem ich sie beobachtete. Nicht an diesem Morgen.

[home]
    2
    A ls ich jung war, war ich verrückt nach Filmen. In einem heruntergekommenen Kino, das ich mit dem Fahrrad schnell erreichen konnte, wurden vormittags für 2 , 25  Dollar Wiederholungen gezeigt. Mit meinen acht Jahren verdiente ich mir das Geld dafür vierteldollarweise, indem ich Getränkedosen sammelte. Samstags war das Kino mein Klassenzimmer, sonntags meine Kirche.
Tron, Young Guns, Lethal Weapon
 – im Laufe der Jahre waren diese Filme meine Spielkameraden, meine Babysitter und meine Mentoren gewesen. Wenn ich in der flackernden Dunkelheit saß, konnte ich in jede Filmrolle schlüpfen, die mir gefiel. Solange ich nur nicht Patrick Davis sein musste, das langweilige Kind aus einem Vorort von Boston. Jedes Mal, wenn ich den Abspann sah, konnte ich nicht glauben, dass diese Namen zu echten Menschen gehörten. Hatten die ein Glück.
    Freilich hatte ich nicht
nur
Filme im Kopf. Ich spielte auch Baseball, worauf mein Vater sehr stolz war, und ich las viel, was meiner Mutter sehr gefiel. Aber die meisten Tagträume meiner Kindheit kamen vom Zelluloid. Wenn ich einfach nur abhing, dachte ich an
Der Unbeugsame,
wenn ich auf meinem Zehn-Gang-Rad dahinflitzte, wünschte ich mir, ich könnte gleich abheben wie
E.T.
Dem Kino verdanke ich es, dass ich in meiner ziemlich gewöhnlichen Kindheit doch vieles mit großen staunenden Augen erleben konnte.
    Folge deinem Traum.
Das hörte ich zum ersten Mal von meiner Studienberaterin an der High School, als ich auf dem Sofa in ihrem Büro saß und die Hochglanzbroschüren der University of California L.A. ansah.
Folge deinem Traum.
Den Spruch kritzelt einem jeder Promi auf seine Autogrammkarte, das wird mit jeder Erfolgsstory in der Oprah-Winfrey-Show wiedergekäut, von sämtlichen nervös schwitzenden Rednern auf Schulabschlussfeiern und von jedem billigen Guru.
Folge deinem Traum.
Und das tat ich dann auch, ich, der Sohn eines Teppichreinigers, und ich tauschte eine erstaunliche Kultur gegen eine andere, eine felsige Küstenlinie gegen einen weichen Horizont, meinen distanzierten Oberschichtakzent gegen die schleppende Sprechweise der Surferkids, Mädchen mit kurzärmligen Rollkragenpullovern gegen solche mit Sport- BH s.
    Wie jeder andere Möchtegern-Drehbuchautor begann ich schon in der ersten Woche nach meinem Umzug an einem Skript herumzutippen, auf einem Mac Classic. Ich machte mir noch nicht mal die Mühe, meine Sachen auszupacken. Sosehr es mir an der UCLA auch gefiel, ich war von Anfang an ein Außenseiter, der seine Nase von außen an die Scheibe drückt und sowieso niemals kaufen kann, was er im Schaufenster sieht. Erst Jahre später wurde mir klar, dass in L.A.
jeder
ein Außenseiter ist. Manche haben es nur besser drauf, im Takt der Musik mitzunicken, die wir alle anhören
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