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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt
Autoren: Gregg Hurwitz
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aufgeben muss. Während
They’re Watching
vorbereitet wurde, sah sich meine Agentin an, was ich in der Zwischenzeit geschrieben hatte, und die Resultate entlockten ihr nicht mehr Begeisterung als die Drehbücher, die seit Jahren in meiner Schublade vor sich hin schimmelten. Da merkte ich zum ersten Mal, wie meine Erwartungen etwas sanken, wie bei einem Reifen, aus dem ganz langsam die Luft entweicht, und meine Agentin schien ebenfalls den Elan zu verlieren. Meine Konzentrationsschwierigkeiten wuchsen sich zu einer wahren Schreibblockade aus, und ich fand einfach nicht die Zeit, den Leuten um mich herum die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Ich war verloren in diesem Wirbelsturm der Möglichkeiten, ich war unsicher, ob aus diesem Film jemals etwas werden würde, ob ich das Zeug dazu hatte oder ob ich im Grunde doch nur ein Blender war.
    Nach dem Vertrag für das Drehbuch veränderte sich unsere Beziehung, und Ariana und ich fanden einfach nicht mehr zur Normalität zurück. Wir hegten schweigend Groll und interpretierten die Gefühlslage des anderen ständig falsch. Der Sex wurde peinlich. Von Lust konnte keine Rede mehr sein, und wir liebten einander auch immer weniger. Unsere Verbindung und das Bewusstsein für die Stimmungen des anderen waren verlorengegangen. Wir konnten unsere alte Beziehung nicht wiederherstellen, hörten irgendwann auf, es zu versuchen, und begruben uns in unserer Alltagsroutine.
    Ariana begann eine Mitleidsfreundschaft mit Don Miller, unserem direkten Nachbarn – zweimal die Woche Kaffeetrinken, ab und zu ein Spaziergang.
    Ich erklärte ihr, sie sei naiv, wenn sie glaubte, dass er nicht in sie verschossen sei und dass diese Geschichte die Beziehung zu seiner Frau nicht beeinflussen würde. Ariana und ich hatten einander in unserer Ehe nie kontrolliert, deswegen sprach ich sie nicht mehr darauf an, aber das spiegelte nur meine eigene Naivität – nicht, was Ariana anging, sondern das Ausmaß unserer Gleichgültigkeit.
    Obwohl ich es nicht recht zugeben mochte, hatte ich in diesem Jahr kaum noch Kontakt zu irgendjemandem. Ich hatte nichts mehr im Sinn außer dem Film, der dann tatsächlich irgendwann in Produktion ging.
    Als ich mitten im Dezember ins eiskalte Manhattan beordert wurde, um meinen Pflichten bei der Überarbeitung des Drehbuchs nachzukommen, bekam ich eine Art Panikattacke. Dass der Regisseur Handys am Set verboten hatte, machte die Sache noch schlimmer, denn ich war viel zu schüchtern, um meine Frau über eines der Telefone anzurufen, die in den Trailern der wichtigen Schauspieler und Mitarbeiter installiert worden waren. Obwohl Ariana sich Sorgen um mich machte, konnte ich ihre Anrufe nur selten erwidern, und wenn ich es tat, blieben unsere Gespräche an der Oberfläche.
    Am Set wurde bald offensichtlich, dass ich mein Drehbuch nicht nachbearbeiten, sondern vielmehr das aufschreiben sollte, was mir der fünfundzwanzigjährige Hauptdarsteller Keith Conner in die Feder diktierte. Er lümmelte in seinem Trailer auf dem Sofa, schlürfte irgendeinen schleimigen grünen Gesundheitsdrink und quasselte den halben Tag in das einzige Handy, das am Set erlaubt war. Er überschüttete mich mit seinen Kommentaren und Dialogänderungen und machte bloß ab und zu mal eine Pause, um mir Fotos von nackten schlafenden Mädchen zu zeigen, die er mit seinem Motorola RAZR geschossen hatte. Das hohe Wochenhonorar, das man mir zahlte, bekam ich nicht für meine Ideen, sondern fürs Babysitten. Zehntklässler waren weniger anstrengend.
    Nach etwas über einer Woche mit lauter Achtzehn-Stunden-Tagen bestellte Keith mich zu sich in den Trailer, um zu verkünden: »Ich glaube einfach, zu dem Hund meiner Figur passt kein Quietschespielzeug. Ich glaube, ein geknotetes Tau oder so was würde ihm eher liegen, weißt du?« Woraufhin ich müde erwiderte: »Der Hund hat sich nicht beschwert. Und der
hat
wenigstens Talent.«
    Die Spannung, die sich zwischen uns aufgebaut hatte, entlud sich so jäh und heftig wie bei zwei tektonischen Platten. Keith wollte mit anklagend ausgestrecktem Zeigefinger auf mich losgehen, rutschte aber auf den Skriptseiten aus, die er auf den Boden geworfen hatte, und knallte mit seinem wohlgeformten Unterkiefer auf die Tischplatte. Als seine Betreuer hereingestürzt kamen, log er, ich hätte ihn geschlagen. Die blauen Flecken waren beachtlich. Solange das Gesicht des Stars in so einem Zustand war, musste der Dreh für mindestens ein paar Tage unterbrochen werden. In
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