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Oder sie stirbt

Oder sie stirbt

Titel: Oder sie stirbt
Autoren: Gregg Hurwitz
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sollen.
Folge deinem Traum. Gib niemals auf.
    Mein erster Glückstreffer stellte sich ziemlich bald ein, aber wie bei den meisten Dingen, die nichts kosten, kam er völlig unerwartet und war auch überhaupt nicht das, was ich suchte. Auf einer Party für Erstsemester mit posenden Teenagern, die gekünstelt laut lachten, sah ich sie. Sie stand an der Wand neben dem Ausgang, und ihre unzufriedene Miene wurde von ihren lebhaften, klugen Augen Lügen gestraft. Absurderweise stand sie da ganz allein. Ein Becher warmes Bier vom Fass hatte mir genug Courage verliehen, sie anzusprechen. »Du siehst so gelangweilt aus.«
    Sie taxierte mich mit ihren dunklen Augen. »Ist das ein Angebot?«
    »Ein Angebot?«, stammelte ich dümmlich.
    »Ein Angebot, mich von der Langeweile zu erlösen?«
    Sie gehörte wirklich zu der Sorte Mädchen, die einen nervös machen konnte, aber ich hoffte, dass mir das nicht anzumerken war. »Sieht so aus, als könnte das die Herausforderung meines Lebens werden.«
    »Und? Bist du dabei?«, fragte sie.
    Ariana und ich heirateten sofort nach unserem College-Abschluss. Irgendwie stand das nie außer Frage. Wir waren die Ersten, die heirateten. Geliehener Smoking, dreistöckige Hochzeitstorte, lauter gebannte Gäste mit feuchten Augen, als wäre es das erste Mal in der Geschichte der Menschheit, dass eine Braut mit langsamen Schritten zu Händels Wassermusik den Mittelgang zum Altar ging. Ari war umwerfend. Beim Empfang sah ich sie an und konnte meinen Trinkspruch nicht zu Ende bringen, weil es mir dermaßen die Kehle zuschnürte.
    Zehn Jahre lang unterrichtete ich Englisch an der High School und schrieb nebenher Drehbücher. Mein Stundenplan ließ mir jede Menge Zeit, meinen Neigungen nachzugehen – Feierabend um drei Uhr nachmittags, lange Ferien, gerade im Sommer –, und ab und zu schickte ich dem Freund eines Freundes in der Filmindustrie ein Drehbuch zu, bekam aber nie eine Antwort. Nicht nur, dass Ariana sich kein einziges Mal darüber beklagte, wie viel Zeit ich über meine Tastatur gebeugt verbrachte – sie freute sich auch, wie glücklich mich diese Beschäftigung machte, genauso, wie ich ihre Begeisterung für Pflanzen und Zeichnungen an ihr liebte. Seit wir gemeinsam von dieser Erstsemesterparty geflüchtet waren, hatten wir das Gleichgewicht immer wahren können – nicht zu klettenhaft, nicht zu distanziert. Keiner von uns hatte es darauf abgesehen, berühmt oder so richtig reich zu werden. So banal es klingt, wir wollten das tun, was uns Spaß machte.
    Doch irgendwie wurde ich diese nörgelnde Stimme in meinem Inneren nicht los. Ich konnte mich vom kalifornischen Traum nicht losreißen. Dabei ging es mir weniger um rote Teppiche und Cannes, sondern eher darum, selbst an einem Filmset zu stehen und zuzusehen, wie irgendwelche Schauspieler die Worte aussprachen, die ich eigentlich für bessere Schauspieler geschrieben hatte. Nur so eine Low-Budget-Produktion, die im Multiplex-Kino im hintersten, kleinsten Saal läuft. Das war doch nicht zu viel verlangt.
    Es war ein knappes Jahr her, dass ich bei einem Picknick eine Agentin kennengelernt hatte, und sie war ganz begeistert von meinem Drehbuch für
They’re Watching,
eine Geschichte über eine Verschwörung, in der das ganze Leben eines Investmentbankers den Bach runtergeht, weil er in einer U-Bahn bei einem Stromausfall versehentlich den Laptop mit dem seines Nachbarn vertauscht. Schlägertypen und CIA -Agenten zerlegen sein Leben, als wäre es ein Stockcar-Auto. Er verliert jede Perspektive und dann auch noch seine Frau – die er aber am Ende zurückgewinnt. Schließlich kehrt er in sein Leben zurück, angeschlagen, aber klüger und dankbarer. Zugegeben, nicht gerade der originellste Plot, aber die richtigen Leute fanden ihn überzeugend. Tatsächlich bekam ich einen ordentlichen Batzen für das Drehbuch und eine anständige Zulage für die Überarbeitung. Ich kriegte sogar eine nette Rezension – in der
Variety
erschien mein Bild neben drei Zentimetern Text über einen High-School-Lehrer, der es geschafft hatte. Ich war dreiunddreißig Jahre alt und endlich am Ziel.
    Gib niemals auf,
heißt es.
    Folge deinem Traum.
    Ein anderes Sprichwort wäre vielleicht passender gewesen.
    Sei vorsichtig mit deinen Wünschen.

[home]
    3
    S chon bevor mir die Zeitungsartikel über mich und meine Filme entgegenflatterten, war es mit meiner Privatsphäre nicht mehr weither gewesen. Mein einziger Zufluchtsort war drei mal zwei Meter groß, hatte
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