Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
hätten vier Personen gepasst, und wir saßen am jeweils äußersten Ende.
    Boo rollte sich auf dem Boden zusammen und legte die Schnauze auf meine Schuhe. Ich konnte das Gewicht seines Kopfes auf meinen Füßen spüren.
    Wenn ich einen Geist - ob Hund, ob Mensch - berühre, fühlt er sich fest und warm an. Keinerlei Kühle, kein Geruch des Todes haftet daran.
    Die Glockendame blickte unverwandt aufs Meer hinaus und schwieg.
    Sie trug weiße Sportschuhe, dunkelgraue Hosen und einen weiten rosa Pulli, dessen Ärmel so lang waren, dass sie ihre Hände verbargen.
    Weil es sich um eine zierliche Person handelte, war ihr Zustand deutlicher sichtbar als bei einer fülligeren Frau. Auch der geräumige Pulli konnte nicht verbergen, dass sie etwa im achten Monat schwanger war.
    Ich hatte sie noch nie mit einem männlichen Begleiter gesehen.

    Um den Hals trug sie den Gegenstand, nach dem ich sie benannt hatte. An einer Silberkette hing ein poliertes Silberglöckchen, ungefähr so groß wie ein Fingerhut. An diesem sonnenlosen Tag war das einfache Schmuckstück das Einzige, was glänzte.
    Sie war etwa achtzehn, drei Jahre jünger als ich. Wegen ihrer schlanken Figur sah sie eher wie ein Mädchen als wie eine Frau aus.
    Dennoch wäre es mir nie in den Sinn gekommen, sie Glocken mädchen zu nennen. Ihre Selbstbeherrschung und ihr ruhiges Verhalten erforderten den Ausdruck Dame .
    »Hast du schon jemals eine solche Stille gehört?«, fragte ich.
    »Da ist ein Sturm im Anzug.« Ihre Stimme brachte die Worte zum Schweben wie ein sommerlicher Lufthauch das Schirmchen einer Pusteblume. »Vorher lässt der Luftdruck den Wind stocken und drückt die Wellen nieder.«
    »Bist du etwa Meteorologin?«
    Ihr Lächeln war wunderschön, frei von Voreingenommenheit und Künstlichkeit. »Ich bin bloß eine Frau, die zu viel nachdenkt.«
    »Mein Name ist Odd Thomas.«
    »Ja«, sagte sie.
    Darauf vorbereitet, wie schon so oft die merkwürdigen familiären Umstände erklären zu müssen, die zu meinem Namen geführt hatten, war ich überrascht und enttäuscht, dass sie keine der üblichen Fragen stellte.
    »Du kennst meinen Namen?«, fragte ich.
    »So, wie du meinen kennst.«
    »Aber den kenne ich gar nicht.«
    »Ich bin Annamaria«, sagte sie. »Zusammengeschrieben. Ich wäre bald selbst auf dich zugekommen.«

    »Wir haben uns zwar schon kurz unterhalten«, sagte ich verwirrt, »aber ich bin sicher, dass wir uns dabei nicht vorgestellt haben.«
    Sie lächelte nur und schüttelte den Kopf.
    Ein weißer Fleck zog bogenförmig über den trüben Himmel - eine Möwe, die an Land flüchtete, da der Nachmittag sich dem Ende zuneigte.
    Annamaria schob die langen Ärmel ihres Pullis zurück, so dass ihre schlanken Hände zum Vorschein kamen. In der rechten hielt sie einen durchscheinenden grünen Stein, so groß wie eine dicke Traube.
    »Ist das ein Edelstein?«, fragte ich.
    »Meerglas. Eine Flaschenscherbe, die um die ganze Welt gespült wurde, bis sie keine scharfen Kanten mehr hatte. Ich habe sie am Strand gefunden.« Sie drehte die Glasscherbe zwischen den Fingern hin und her. »Was meinst du, was sie wohl bedeutet?«
    »Muss sie denn etwas bedeuten?«
    »Die Flut hat den Sand so glatt gemacht wie Babyhaut, und als das Wasser sich zurückzog, hat sich das Glas geöffnet wie ein grünes Auge.«
    Vogelkreischen zerstörte die Stille. Als ich den Blick hob, sah ich drei aufgeregte Möwen landeinwärts fliegen.
    Ihre Schreie verkündeten Gesellschaft, und tatsächlich hörte ich im nächsten Augenblick auf dem Pier hinter uns Schritte.
    Drei Männer Ende zwanzig marschierten zur Nordkante der Beobachtungsplattform. Dort blieben sie stehen und blickten die Küste entlang auf den fernen Hafen mit seinen Fischer- und Segelbooten.
    Zwei trugen Khakihosen und Daunenjacken, und sie sahen wie Brüder aus. Rotes Haar, Sommersprossen. Ohren, die so deutlich abstanden wie Bierglashenkel.

    Die Rotschöpfe blickten zu uns herüber. Ihre Gesichter waren so hart und ihre Augen so kalt, dass ich sie vielleicht für böse Geister gehalten hätte, wären ihre Schritte nicht hörbar gewesen.
    Einer der beiden schenkte Annamaria ein rasiermesserscharfes Lächeln. Er hatte die dunklen, lädierten Zähne eines starken Methamphetamin-Users.
    Das Duo mit den Sommersprossen machte mich nervös, aber noch beunruhigender war der dritte Mann. Knapp zwei Meter groß, überragte er die beiden anderen ein gutes Stück und besaß eine Muskelmasse, die nur durch regelmäßige
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher