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Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis
Autoren: Dean R. Koontz
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längst vergangenen Tagen war sein Gesicht berühmt gewesen. Obwohl die Zeit es verändert hatte, war er noch immer stolz auf sein Aussehen.
    Ich hatte einige der Filme gesehen, die Lawrence Hutchison in den vierziger und fünfziger Jahren gedreht hatte. Sie gefielen mir. Hutch hatte es verstanden, auf der Leinwand eine echte Präsenz zu entfalten.
    Weil er seit fünf Jahrzehnten nicht mehr vor die Kamera getreten war, kannte man ihn inzwischen weniger wegen seiner Schauspielkünste als wegen seiner Kinderbücher über ein draufgängerisches Kaninchen namens Nibbles. Im Gegensatz zu seinem Schöpfer war Nibbles völlig furchtlos.
    Die Einkünfte aus seinen Filmen und Büchern sowie die Angewohnheit, Investmentgelegenheiten mit paranoidem Argwohn zu betrachten, hatten dafür gesorgt, dass Hutch im Alter finanziell gesichert war. Dennoch machte er sich Sorgen, ein dramatischer Anstieg des Ölpreises oder dessen totaler Zusammenbruch könnte zu einer weltweiten Finanzkrise führen, die ihn bettelarm machen würde.
    Sein Haus stand direkt an der Uferpromenade und damit am Strand. Von der Tür aus war man in einer Minute dort, wo sich die Wellen brachen.
    Im Lauf der Jahre hatte er allmählich Angst vor dem Meer entwickelt. Inzwischen ertrug er es nicht mehr, im westlichen Teil des Hauses zu schlafen, wo er womöglich hörte, wie die Brandung an den Strand kroch.
    Deshalb war ich im besten Schlafzimmer des Hauses untergebracht, von dem man einen Blick aufs Meer hatte. Hutch schlief in einem nach hinten liegenden Gästezimmer.
    Einen guten Monat vor dem Traum mit der roten Flut war ich in Magic Beach eingetroffen, und es hatte nur einen Tag gedauert, bis ich die Stelle als Hutchs Koch gefunden hatte.
Wenn er einen Ausflug machen wollte, was selten vorkam, diente ich ihm zudem als Chauffeur.
    Bei der Arbeitssuche hatten sich die Erfahrungen, die ich im Pico-Mundo-Grill gesammelt hatte, als sehr nützlich erwiesen. Wer Bratkartoffeln zubereiten kann, die den Mund wässrig machen, wer Frühstücksspeck perfekt knusprig braten kann, ohne ihn auszutrocknen, und wer Pfannkuchen bäckt, die gehaltvoll wie Pudding und doch so locker sind, dass sie fast vom Teller schweben, der findet immer Arbeit.
    Es war halb fünf, als ich an jenem Nachmittag Ende Januar ins Wohnzimmer trat, begleitet von meinem Hund Boo. Hutch saß in seinem Lieblingssessel und stierte finster in den Fernseher, dessen Ton er abgestellt hatte.
    »Schlechte Nachrichten, Sir?«
    Seine tiefe, sonore Stimme verlieh jeder Silbe einen unheilvoll rollenden Ton: »Der Mars erwärmt sich.«
    »Wir leben doch gar nicht auf dem Mars.«
    »Er erwärmt sich im selben Tempo wie die Erde.«
    »Hatten Sie etwa vor, auf den Mars umzuziehen, um der globalen Erwärmung zu entkommen?«
    Hutch deutete auf den lautlos sprechenden Moderator im Fernseher. »Das bedeutet, dass die Sonne die Ursache für beides ist. Man kann also nichts dagegen unternehmen. Absolut nichts.«
    »Na ja, Sir, schließlich gibt es noch Jupiter und die anderen Planeten, die jenseits des Mars kommen.«
    Er fixierte mich mit dem funkelnden grauäugigen Blick, den er vor der Kamera eingesetzt hatte, um engagierten Staatsanwälten und tapferen Offizieren einen Ausdruck unerbittlicher Entschlossenheit zu verleihen.
    »Manchmal, junger Mann, habe ich den Eindruck, dass du selber von irgendwo jenseits des Mars kommst.«

    »Nicht ganz. Etwas Exotischeres als Pico Mundo, Kalifornien, habe ich leider nicht zu bieten. Sir, wenn Sie mich eine Weile nicht brauchen, dann würde ich gern einen Spaziergang machen.«
    Hutch erhob sich. Er war groß und hager. Das Kinn hielt er angehoben, reckte jedoch den Kopf vorwärts wie jemand, der die Augen zusammenkneift, um besser zu sehen. Vielleicht hatte er sich diese Gewohnheit in den Jahren vor seiner Staroperation zugelegt.
    »Du willst rausgehen?« Stirnrunzelnd kam er auf mich zu. »In dem Aufzug?«
    Ich trug Turnschuhe, Jeans und ein Sweatshirt.
    Da er nicht unter Arthritis litt, war er für sein Alter noch recht gelenkig. Dennoch bewegte er sich so achtsam und vorsichtig, als würde er jeden Moment einen Knochenbruch erwarten.
    Nicht zum ersten Mal erinnerte er mich an einen durchs Wasser stelzenden Fischreiher.
    »Du solltest eine Jacke anziehen. So holst du dir noch eine Lungenentzündung.«
    »Heute ist es doch gar nicht so frisch«, beruhigte ich ihn.
    »Ihr jungen Leute haltet euch für unverwundbar.«
    »So jung bin ich gar nicht mehr, Sir. Ich habe Grund genug, mich
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