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Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis
Autoren: Dean R. Koontz
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Steroid-Spritzen entstanden sein konnte.
    Trotz der kühlen Luft trug er Joggingschuhe ohne Socken, weiße Shorts und ein gelb-blaues Hawaiihemd mit Orchideenmuster.
    Die Brüder sagten etwas zu ihm, worauf der Koloss uns betrachtete. Unter Neandertalern hätte er womöglich als hübsch gegolten, aber seine Augen sahen so gelb aus wie sein kleiner Kinnbart.
    Den prüfenden Blick, mit dem er uns betrachtete, verdienten wir eigentlich nicht. Annamaria war eine ganz normal aussehende schwangere Frau und ich bloß ein Grillkoch, der das Glück gehabt hatte, einundzwanzig Jahre alt zu werden, ohne ein Bein, ein Auge oder seine Haare zu verlieren.
    In manchen verdrehten Hirnen wohnten Bosheit und Paranoia eng zusammen, das hatte ich schon oft erfahren. Solche Menschen vertrauten niemandem, denn sie wussten um die Heimtücke, zu der sie selbst fähig waren.
    Nach einem langen, argwöhnischen Blick wandte der Muskelberg seine Aufmerksamkeit wieder der Nordküste und dem Hafen zu. Das taten seine Kumpane ebenfalls, aber ich
hatte nicht den Eindruck, dass sie uns endgültig in Ruhe lassen würden.
    Es blieb noch eine halbe Stunde bis Sonnenuntergang, doch wegen des bedeckten Himmels schien bereits die Dämmerung angebrochen zu sein. Die Laternen am Pier entlang waren automatisch angegangen, während ein feiner Nebelschleier aus dem Nirgendwo gekommen war, um der nahenden Dunkelheit Vorschub zu leisten.
    Boos Verhalten bestätigte meine instinktiven Vermutungen. Er war aufgestanden. Mit gesträubtem Nackenfell und angelegten Ohren richtete er den Blick unverwandt auf den Muskelberg am Geländer.
    »Ich glaube, wir sollten verschwinden«, sagte ich zu Annamaria.
    »Kennst du die drei?«
    »Von der Sorte habe ich schon genug gesehen.«
    Während sie sich von der Bank erhob, umschloss sie die grüne Glasscherbe mit der rechten Faust. Dann verschwanden beide Hände wieder in den Ärmeln ihres Pullis.
    Ich spürte viel Kraft in ihr, doch sie hatte auch etwas Unschuldiges an sich, einen fast kindlichen Anflug von Verletzlichkeit. Die drei Männer gehörten zu dem Typus, für den jemand Verletzliches einen bestimmten Geruch besaß. Den konnten sie so leicht wahrnehmen wie Wölfe, die einen im hohen Gras verborgenen Hasen witterten.
    Boshafte Menschen verwunden und zerstören sich zwar oft gegenseitig, aber wenn sie sich bewusst ein Opfer aussuchen, dann am liebsten jemanden, der so unschuldig und rein ist, wie es diese Welt überhaupt zulässt. Sie nähren sich ohnehin von Gewalt, doch ein besonderer Kick ist es für sie, sich an etwas zu vergehen, das ganz anders ist als sie.
    Während Annamaria und ich die Plattform verließen und
aufs Ufer zugingen, stellte ich erschrocken fest, dass niemand sonst auf den Pier gekommen war. Normalerweise hatten sich dort zu dieser Zeit zumindest schon ein paar Angler mit ihrem Gerät postiert.
    Ich drehte den Kopf und sah Boo auf die drei Männer zugehen, die ihn natürlich nicht wahrnahmen. Der Kerl mit dem Kinnbart blickte über die Köpfe der beiden anderen zu Annamaria und mir herüber.
    Das Ufer war noch ein gutes Stück weit entfernt. Auf der anderen Seite sank die Sonne hinter dichten Wolken langsam zum Horizont, und der aufsteigende Nebel dämpfte das Laternenlicht.
    Als ich mich erneut umsah, kam das rothaarige Duo mit raschen Schritten anmarschiert.
    »Geh einfach weiter«, sagte ich zu Annamaria. »Runter vom Pier, irgendwohin, wo du unter Menschen bist.«
    Sie war ganz ruhig. »Ich bleibe bei dir«, sagte sie.
    » Nein. Das schaffe ich schon.«
    Behutsam schob ich sie an, vergewisserte mich, dass sie weiterging, und wandte mich dann den zwei Rotschöpfen zu. Statt dazustehen oder zurückzuweichen, ging ich auf sie zu - lächelnd, was sie so überraschte, dass sie stehen blieben.
    Während der mit den schlechten Zähnen an mir vorbei auf Annamaria blickte und während Nummer zwei in seine geöffnete Jacke griff, fragte ich: »Sagt mal, Leute, habt ihr schon von der Tsunamiwarnung gehört?«
    Nummer zwei ließ seine Hand in der Jacke, während die wandelnde Mahnung für gute Zahnhygiene den Blick auf mich richtete. »Was für ein Tsunami?«
    »Das Ding soll sechs bis neun Meter hoch werden.«
    »Hä?«
    »Selbst wenn es neun Meter hoch ist«, sagte ich, »wird es
den Pier nicht überspülen. Die Kleine da hinten hat Angst bekommen und wollte nicht bleiben, aber ich will es sehen. Schließlich sind wir locker zehn Meter über der Wasseroberfläche, oder? Wird bestimmt ganz schön
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