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Odd Thomas 4: Meer der Finsternis

Titel: Odd Thomas 4: Meer der Finsternis
Autoren: Dean R. Koontz
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ein Deutscher-Schäferhund-Mischling mit vollständig weißem Fell. Der von einem Horizont zum anderen reisende Mond bewegte sich nicht leiser als er.
    Nur ich nahm ihn wahr, denn er war ein Geisterhund.
    Nicht selten sehe ich die Geister toter Menschen, die zögern, aus dieser Welt weiterzuziehen. Tiere jedoch sind nach meiner Erfahrung immer gern bereit zu erfahren, was als Nächstes kommt. Boo stellte eine Ausnahme dar.
    Warum er sich so verhielt, blieb ein Geheimnis. Die Toten sprechen nicht, und Hunde noch nicht einmal zu Lebzeiten. Deshalb befolgte mein Gefährte also gleich zwei Schweigegelübde.

    Womöglich blieb er in dieser Welt, weil er wusste, dass ich ihn in irgendeiner Gefahrensituation brauchte. Darauf musste er vielleicht nicht mehr lange warten, da ich häufig bis zum Hals im Schlamassel steckte.
    Rechts von uns kam eine Reihe von Privathäusern mit Meerblick, gefolgt von Läden, Lokalen und dem dreistöckigen Magic Beach Hotel mit seinen weißen Wänden und grün gestreiften Markisen.
    Zu unserer Linken ging der Strand in einen Park über. Da es ein sonnenloser Spätnachmittag war, warfen die Palmen keine Schatten auf die Grünfläche.
    Der bedrohliche Himmel und die kühle Luft hatten die Strandbesucher abgeschreckt. Auf den Parkbänken saß niemand.
    Dennoch wusste ich intuitiv, dass sie hier war, nicht im Park, sondern weit draußen über dem Meer. Sie war in meinem roten Traum vorgekommen.
    Bis auf das Rauschen der trägen Brandung war es still. Die Palmwedel warteten auf eine Brise, die sie zum Flüstern bringen würde.
    Breite Stufen führten zum Pier hinauf. Da Boo ein Geist war, machte er auch auf den verwitterten Bohlen keinerlei Geräusch, und als zukünftiger Geist war selbst ich in meinen Turnschuhen weitgehend lautlos.
    Am Ende des Piers verbreiterte dieser sich zu einer Beobachtungsplattform. Durch mehrere Münzfernrohre konnte man dort die vorbeiziehenden Schiffe, die Küste und den zwei Meilen weiter nördlich gelegenen Hafen ins Visier nehmen.
    Die Glockendame saß auf der letzten Bank, dem Horizont zugewandt, wo der mottenkugelgraue Himmel nahtlos mit dem trüben Meer verschmolz.

    Ich lehnte mich ans Geländer und tat so, als würde ich über den zeitlosen Marsch der Wellen meditieren. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass die Glockendame mich offenbar noch nicht wahrgenommen hatte, weshalb ich in aller Ruhe ihr Profil studieren konnte.
    Sie war weder schön noch hässlich, aber hausbacken sah sie auch nicht aus. Ihre Gesichtszüge waren unauffällig, ihre Haut war rein und ein wenig zu bleich, und doch zog sie mich in den Bann.
    Mein Interesse an ihr war nicht romantischer Natur. Eine geheimnisvolle Aura umgab sie, und ich hatte den Verdacht, dass ihre Geheimnisse außergewöhnlich waren. Es war also die Neugier, die mich zu ihr zog - und das Gefühl, dass sie vielleicht einen Freund brauchte.
    Obwohl sie in meinem Traum von einer roten Flut erschienen war, bewahrheitete sich dieser vielleicht nicht, und sie musste doch nicht sterben.
    Ich hatte sie bereits mehrfach gesehen. Dabei hatten wir sogar einige belanglose Worte gewechselt, hauptsächlich Bemerkungen über das Wetter.
    Weil sie redete, wusste ich, dass sie nicht tot war. Manchmal erkenne ich eine Person erst dann als Geist, wenn sie verblasst oder durch eine Wand geht.
    In anderen Fällen ist die Sache klar. Ist jemand ermordet worden und will, dass ich den Mörder seiner gerechten Strafe zuführe, dann materialisiert er sich unter Umständen mit seinen Wunden. Wenn ich einem Mann gegenüberstehe, dessen Gesicht durch den Aufprall einer Kugel zerschmettert ist, oder einer Frau, die ihren abgetrennten Kopf unter dem Arm trägt, dann merke ich natürlich gleich, dass ich mich in Gesellschaft eines Geistes befinde.
    In dem Traum der vergangenen Nacht hatte ich an einem
Strand gestanden. Apokalyptisches Licht flackerte über den Sand, und das Meer pulsierte, als wollte ein Ungetüm aus der Tiefe steigen. Wolken, so rot und orange wie Flammen, erstickten den Himmel.
    Von Westen her schwebte die Glockendame mitten in der Luft auf mich zu, die Arme über der Brust gekreuzt, die Augen geschlossen. Als sie näher kam, gingen ihre Augen auf, und ich sah darin eine Spiegelung dessen, was sich hinter mir befand.
    Zweimal war ich vor dem Bild, das sich mir in ihren Augen bot, zurückgeschreckt, und beide Male war ich aufgewacht, ohne mich daran erinnern zu können.
    Nun trat ich vom Geländer weg und setzte mich neben sie. Auf die Bank
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