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Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
Autoren: Tricia Rayburn
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nichts brauchen würde, denn Simon kam gerade den Pier entlang auf mich zu.
    Die beiden wagten sich weiter aufs Eis, und ich beobachtete sie. Dad stand sicher auf seinen Schlittschuhen, aber Moms Knöchel bogen sich wie labberige Spaghetti. Ich war froh, dass der Rettungsschwimmer noch immer Wache hielt, selbst nachdem das Meer zugefroren war. Von seinem Hochsitz aus überblickte er das Eis in langer Trainingshose, Daunenjacke, Handschuhen und Wollmütze anstelle seiner üblichen Badehose und dem Shirt mit Winter-Harbor-Logo.
    Er war nicht als Einziger für Schneewetter gekleidet, denn zwar hatte es zwei Wochen lang wolkenlosen Himmel gegeben – seit dem Tag, als ich von den Chione Cliffs gesprungen war –, aber die Temperaturen waren immer noch nicht wieder über den Nullpunkt gestiegen. Simons chemischer Bombencocktail zusammen mit den Wettermanipulationen der Sirenen hatte dazu geführt, dass Winter Harbor seinem Namen nun endlich alle Ehre machte … wenn auch mitten im Sommer. Die Luft wärmte sich langsam wieder auf, aber Simon war der Meinung, dass die Eisdecke vermutlich erst im Frühherbst ganz geschmolzen sein würde. Während also in anderen Orten an der Küste von Maine die Bewohner und Urlauber fröhlich mit dem Schwimmen und Segelnfortfuhren, hatten in Winter Harbor alle ihre wärmste Kleidung rausgeholt und sich aufs zugefrorene Meer begeben.
    Ich selbst war noch nicht aufs Eis gegangen und würde vermutlich auch weiter darauf verzichten, aber es war nett, hier am Strand zu sitzen und den Leuten beim Schlittschuhlaufen und Eishockeyspielen zuzuschauen. Manche versuchten es sogar (erfolglos) mit Eisangeln. Wenn man mich fragte, wäre es vielleicht gar nicht so schlecht gewesen, einen auf ewig eingefrorenen Hafen und nie endenden Winter zu haben. Zwar war es schwer vorstellbar, dass beim Auftauen irgendetwas, das sich unter dem Eis befunden hatte, lebendig wieder auftauchte, aber trotzdem fühlte ich mich jedes Mal beruhigt, wenn ich aufs Meer schaute und dort eine feste, undurchdringliche Schicht sah.
    »Ich will dich ja nicht in Panik versetzen«, bemerkte Simon und setzte sich neben mich auf die Bank. »Schließlich hast du schon einiges durchgemacht. Aber ich glaube, deine Mutter hat tatsächlich angefangen zu lächeln.«
    Ich lachte. »Ein weiteres Beispiel dafür, dass plötzlich das Unmögliche möglich geworden ist. Sie hat sich sogar für den Rest des Sommers freigenommen.«
    Er hielt mir ein eingewickeltes Sandwich und einen Pappbecher entgegen. »Zu Ehren deines ersten Tages hier draußen: ein Hot-Dog-Brötchen mit Rührei und Käse sowie die plötzlich enorm populäre heiße Schokolade von Harbor Homefries. Ich dachte mir, für Melone-Guave-Smoothies ist es noch ein bisschen zu kalt.«
    »Perfekt«, sagte ich und nahm das Frühstück entgegen. »Vielen Dank.«
    Wir aßen eine Weile, ohne zu reden. Im Gegensatz zu dem ersten Mal, als wir diesen Sommer zusammen gefrühstückt hatten – im Kombi auf der Suche nach Caleb –, machte michdie Stille nicht nervös. Nachdem wir so viel gemeinsam durchgestanden hatten, war es zur Abwechslung ganz angenehm, einfach nur still nebeneinanderzusitzen.
    »Ich habe heute Morgen im Krankenhaus vorbeigeschaut«, sagte er schließlich.
    Ich nickte. Er hatte die Sirenenopfer jeden Tag besucht und war abends immer vorbeigekommen, um mir unter den wachsamen Blicken meiner Eltern einen kurzen Lagebericht zu geben.
    »Den Männern geht es besser. Sie schlafen immer noch sehr viel, aber die Ärzte sagen, im Wachzustand sind sie inzwischen ansprechbar.«
    Ich schaute ihn an. »Was passiert ist, haben sie aber immer noch nicht erzählt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Anscheinend erinnert sich keiner von ihnen. Die Ärzte machen das verrückte Wetter für ihren Zustand verantwortlich, genau wie für den ganzen Rest.«
    Ich schaute in Richtung des Hafens. »Man sollte denken, dass diese Erklärung den Leuten auf Dauer ein bisschen zu dünn vorkommt.«
    »Vermutlich ist es einfacher, alles aufs Wetter zu schieben, als sich mit noch mehr Fragen herumzuschlagen, die sie nicht beantworten können.«
    »Und niemandem kommt es seltsam vor, dass der Himmel nach Wochen voller Dauerregen und Gewitterstürmen plötzlich nur noch blau ist?«
    »Das Ganze hat so abrupt aufgehört, wie es angefangen hat. Die Wissenschaftler und Meteorologen haben es als eine unerklärliche Laune der Natur abgehakt. Vielleicht werden sie irgendwann tiefer nach den Ursachen graben.«
    »Zum
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