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Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
Autoren: Tricia Rayburn
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einzige körperliche Herausforderung war das Licht, das mich umgab und immer blendender wurde, je tiefer ich kam. Die Augen zu schließen half dagegen nicht im Geringsten.
    Ich begann mich zu fragen, ob ich rechtzeitig merken würde, dass der Meeresboden näher kam, ehe ich mit den Händen auf den Sand prallte. Doch dann begann sich das Wasser um mich herum zu verändern. Es schien dünner zu werden, sich unmerklich zu verflüchtigen … jede Bewegung hörte auf, und ich schwebte reglos darin. Es war, als würde ich an einem windstillen Tag auf der Oberfläche des Lake Kantaka treiben. Ich öffnete die Augen, um nach der Ursache zu schauen, aber machte sie sofort wieder zu und wandte schützend mein Gesicht ab.
    Ich war an eine Art Barriere gelangt. Direkt unter mir brannte das Licht glühend weiß und schien sich zu einer dünnen, ausgedehnten Membranwand verdichtet zu haben. Hineinzublicken war so, als würde man direkt in die Sonne starren.
    Ich holte tief Luft und streckte die Arme in Richtung des Lichts. Meine Lider flogen auf, als ich mit den Fingerspitzen die Wand berührte – es fühlte sich an, als hätte ich mit beiden Händen einen Blitz gepackt. Die Energie war atemberaubend, und wie von einem elektrischen Schock gelähmt, konnte ich nur hilflos mit ansehen, wie ich von dem Licht eingesogen wurde.
    Normalerweise wäre ich vor Angst fast gestorben, hätte dagegen angekämpft, mich gekrümmt und gezappelt und krampfhaft versucht, außer Reichweite zu schwimmen. Das alles wäre vermutlich auch passiert, doch Simons Gegenwart hielt mich zurück. Er schien überall um mich herum zu sein. Ich sah ihn, wie er neben mir auf dem Kliff hockte, im Boot auf mich zuruderte oder am Beacon Beach auf mich wartete, während ich vom Fels kletterte. Wir saßen zusammen auf dem Küchenfußboden, und er zog mich auf seinen Schoß. Er umarmte mich, küsste mich, berührte mich überall. Ich konnte ihn spüren, als wäre er tatsächlich da, und es fühlte sich so gut an – fast so perfekt wie die Realität –, dass ich nur denken konnte: Wenn dies das Ende ist, wenn ich für immer in dem Licht zwischen den Welten gefangen bleibe, dann soll es mir recht sein. Das ist okay.
    Doch schließlich verblasste das Licht. Zwar war das Meer noch immer erleuchtet, aber es blendete nicht länger, und ich konnte meine Umgebung erkennen. Ich war durch die Wand hindurch auf den Sandboden zugetrieben, wo Dutzende von schimmernden Gestalten sich zu einem Kreis versammelt hatten. Sie waren von hohen Felsblöcken umgeben, und ich wechselte schnell die Richtung, um mich hinter einem davon zu verbergen.
    Als ich sicher war, dass sie mich nicht mehr sehen konnten, griff ich nach dem Kanister auf meinem Rücken. Ich wollte einen Blick auf das angebrachte Thermometer werfen,um zu sehen, wie weit die Temperatur bereits gesunken war. Wenn sich das Wasser nahe am Gefrierpunkt befand, würde Simon an Bord der Barbara Ann als Signal einen Knopf drücken. Wir kannten den Zeitplan der Sirenen, und unserer musste damit übereinstimmen.
    Ich erstarrte, als meine Hände nur Wasser fanden.
    Der Behälter war nicht mehr da. Anscheinend hatte ich ihn verloren, oder er war beim Durchqueren der leuchtenden Barriere fortgerissen worden.
    Ich versuchte, nicht in Panik zu geraten, und blickte auf die Uhr. 23.54 Uhr. Mir blieben sechs Minuten, um den Kanister zu finden, ihn zu aktivieren und eine ganze Meile zurück zur Oberfläche zu schwimmen.
    Ich schaute mich auf dem Meeresboden um und sah Betty und Zara, die in dem Kreis standen, als hätten sie die ganze Zeit vorgehabt, daran teilzunehmen. Die Sirenen schienen zu warten; ihre glitzernden Augen wanderten immer wieder nach oben zu der Lichtwand.
    Sie warteten auf die Männer. Auf die nächsten Opfer.
    Ein hoher singender Ton stieg aus dem Kreis auf. Er begann leise, aber nahm stetig an Lautstärke zu, als würde jemand eine Stereoanlage aufdrehen. Mein Herz begann, wie wild zu klopfen, als eine einzelne Wasserfrau sich aus der Gruppe löste. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, trotzdem erkannte ich sie sofort.
    Raina. Obwohl ihr Mund geschlossen war, gab sie einen gleichbleibenden hohen Ton von sich, bei dem die anderen im Zirkel den Blick senkten und sogar das Wasser um sie herum ihr Platz zu machen schien.
    Dann begannen auch die übrigen Sirenen, mit geschlossenen Mündern zu singen. Die süßen Töne flossen zu einer lieblichen, einlullenden Melodie zusammen.
    Laut meiner Uhr war es vier vor zwölf.
    Ich
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