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Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
Autoren: Tricia Rayburn
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Sirenenkreis schwamm ich auf sein Zentrum zu. Als ich mich direkt über den Männern befand, griff ich nach hinten. Meine Finger fummelten einen Moment herum, bis ich den Griff fand, mit dem ich den Kanister von meinem Rücken lösen konnte. Während die Sirenen weiterhin auf die Männer einsangen, wurde deren Lächeln immer breiter, und ich stellte mir ihre eingefrorenen Gesichter vor, die immer noch diesen Ausdruck trugen – die gleichen erstarrten Mienen wie bei den vorherigen Opfern, nur dass ihr Tod diesmal einen anderen Grund haben würde.
    Sing, Vanessa …
    Ich fuhr zurück, als hätte ich einen Schlag in den Magenerhalten. Als ich nach unten schaute, stellte ich fest, dass jede Sirene sich einen Mann gesucht hatte, auf den sie sich konzentrierte .jede bis auf eine.
    Du musst singen …
    Betty. Anscheinend hörten die anderen sie nicht. Bisher hatte jedenfalls keine bemerkt, dass sie zu mir hochblickte, während ich über dem Kreis trieb. Ich aber konnte Bettys Stimme in meinem Kopf klar und deutlich wahrnehmen.
    Was sollte das heißen: »Du musst singen«? Was denn? Und wie? Würde ich nicht nur unerwünschte Aufmerksamkeit erregen?
    Noch kannst du sie retten …
    Und dann hörte ich es. Einen weichen, hellen Ton, der anschwoll und zu einer Million Klänge und Noten explodierte, laut und leise, kurz und lang, hoch und tief. Sie hallten zwischen den Felsen wider und wurden vom Sand zurückgeworfen. Sie hüllten alle hier unten in der Meerestiefe ein, als würden vielen Stimmen gleichzeitig singen, ein ganzer Chor aus Wasserfrauen … doch in Wirklichkeit sang nur eine Einzige.
    Ich.
    Und als die aus dem Bann befreiten Männer nach oben flohen und die Sirenen auf mich zuschwärmten, drückte ich den Knopf, der das Meer von Winter Harbor zum ersten Mal in Eis verwandeln würde.
    Ein silberner Lichtstrahl schoss vom Boden hoch, aber mit einem Beinschlag war ich den Scheinwerferaugen entkommen und tauchte auf die Oberfläche zu. Der Kanister trieb irgendwo unter mir. Ich verfolgte nicht, wo er landen würde, und ich schaute auch nicht zurück, um festzustellen, ob die Sirenen noch hinter mir herjagten.
    Später, nachdem man uns aus dem Meer gefischt und ins Krankenhaus gebracht hatte, versuchte ich, Simon von diesemletzten Moment zu erzählen. Wie der Gesang angeschwollen und dann verstummt war. Wie das Eis sich in Windeseile ausgebreitet hatte und das Wasser um mich herum sich knisternd in Kristall verwandelte. Wie ich mit aller Kraft nach oben schwamm, bis das Eis meine Beine erreichte und ich mich nicht länger bewegen konnte.
    Aber damals, in dem Moment, als der Kanister explodierte und eine frostige Silberwolke auf uns zuraste, nahm ich nur eines wirklich wahr, nämlich dass ich lächelte. Winter Harbor gefror mitten im Juli … und ich lächelte über das ganze Gesicht.

K APITEL 26
    D u brauchst keine Angst zu haben«, sagte Dad und hielt Mom bei den Händen.
    »Hab ich gar nicht.«
    »Du zitterst aber.«
    »Kein Wunder, schließlich bin ich kurz davor, mir den Arm zu brechen oder das Bein, den Rücken, den Hals, den –«
    »Wunderbar.«
    Sie stellte ihre Beschwerden lange genug ein, um Dad anzugrinsen.
    »Du bist wunderbar, mein Schatz.«
    Ich schaute zur Seite, als er sich zu ihr herunterbeugte und sie nun schon zum vierten Mal küsste, seit die beiden sich aufs Eis gewagt hatten. Eine Woche war es her, dass ich aus dem Krankenhaus entlassen worden war, um mich in unserem Ferienhaus auszukurieren, und wenn meine Eltern nicht gerade damit beschäftigt waren, nach mir zu sehen, mir Tee zu bringen oder mich in eine weitere Decke zu hüllen, dann küssten und kuschelten und flirteten sie. Der Verlust von Justine hatte sie auseinanderdriften lassen, aber anscheinend hatte der Schock, nun beinahe auch mich zu verlieren, Gefühle wieder aufflammen lassen, die ich in ihren ganzen Ehejahren nicht gesehen hatte. Es war irgendwie nett … auch wenn ich nicht recht wusste, was ich davon halten sollte.
    »Ich hab dich«, sagte Dad und legte ihr die Hände um die Taille. »Und ich lasse dich so schnell nicht los.«
    »Vanessa«, rief Mom über die Schulter, »wenn du mich um Hilfe schreien hörst, weil ich lang hingeschlagen bin, und der Rettungsschwimmer nichts mitbekommt –«
    »Dann sorge ich dafür, dass du mit Schlitten und Blaulicht abtransportiert wirst«, versprach ich.
    »Bei dir so weit alles okay, Kleines?«, fragte Dad. »Du rufst doch, wenn du was brauchst?«
    Ich nickte, obwohl ich bestimmt
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