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Oberwasser

Oberwasser

Titel: Oberwasser
Autoren: Jörg Maurer
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ging sie auf ihn zu.
    »Was beschäftigt Sie, Hubertus?«, sagte sie mit der weichsten Samtstimme, die sie in ihrer Psychologen-Toolbox fand. »Wollen Sie mir nicht davon erzählen?«
    »Ja, gewiss. Alle zu seiner Zeit, Maria. Ich muss mir zuerst selbst Klarheit verschaffen.«
    Beide gingen wieder zurück ins Zelt.
♫ BadabadaTöng
spielte die Blaskapelle, als sie sich setzten.
    »Sie kommen gerade recht, Chef«, rief Hölleisen und stellte seine Maß Bier ab. »Ganz ehrlich: Haben Sie schon einmal Ihren Beruf vorgeschoben, um etwas zu erreichen?«
    »Einmal habe ich im Eifer des Gefechts meinen Dienstausweis missbraucht«, entgegnete der Kommissar lachend. »Ich wollte unbedingt den Rigoletto von Giuseppe Verdi sehen.«
    »Sie sind Opernfan?«, fragte Ludwig Stengele ungläubig.
    »Ja, ich mag Opern ganz gerne. Ich finde, es verbricht sich viel leichter mit Musik. Es gab für den Rigoletto natürlich keine Karten mehr. Also bin ich jeden Tag hingedackelt und habe mich brav an der Abendkasse angestellt, um eventuelle Restkarten zu ergattern. Das hat aber auch nicht geklappt. Und am letzten Tag, ich gebe es zu, da ist mir der Kragen geplatzt. Als ich an die Reihe kam, ist mir der Dienstausweis rausgerutscht und auf die Kassentheke gefallen. Ob ich hier im Haus ermittele, fragte mich die Kassenkraft, und ich habe nicht direkt nein gesagt. Dann nehmen Sie halt die Karte vom Oberstaatsanwalt, sagte sie, der kommt sowieso nie, der hat immer Bereitschaft.«
    »Und Sie sind reingegangen?«
    »Ja freilich, die Oper war toll, der Mörder Sparafucile sang herrlich, in der Pause traf ich dann auch noch Dr. Rosenberger. Er fragte mich, wie ich denn zu Opernkarten gekommen bin.
Sie
haben welche, sagte er, und mein Spezi, der Oberstaatsanwalt, der sich so auf die erstochene Leiche im Sack gefreut hat, musste draußen bleiben!«
     
    Um diese Zeit, im letzten Dämmerlicht, war Rechtsanwalt Maximilian Goldacker schon am Grab des Reininger Sepp, des Bauunternehmers, von dem ihm die Graseggers erzählt hatten, dass er viel Geld im eigenen Sarg versteckt hatte. Goldacker packte seinen Klapp-Spaten aus. Nervös blickte er sich um. Kein Mensch weit und breit.
♫ Bier her, Bier her, oder ich fall um …
tönte es aus weiter Ferne. Jetzt kam der große Augenblick. Das Geld war angeblich an der Unterseite des Sargdeckels versteckt. Er würde den Deckel hochheben müssen, der Anblick des Skeletts würde schauderhaft sein. Ruhig, ruhig, flüsterte Goldacker halblaut, und er erschrak vor seiner eigenen Grabesstimme. Er blickte nochmals um sich, dann erst wagte er den ersten Spatenstich. Seine Hand zitterte. Schmatzend versumpfte das Spatenblatt in der feuchten Blumenerde. Ein leichter Schauer lief über seinen Rücken. Ein Rascheln. Wo kam das her? Vom Grab nebenan? Er ließ den Griff los und lauschte angestrengt in die Stille der Nacht. Der Wind hatte gedreht und wehte die Stimmungsknüller in die andere Richtung. Da, schon wieder das Rascheln! Diesmal direkt vor ihm! Die Kerze in der Reininger’schen Grablaterne flackerte und zuckte dazu. Jetzt bewegte sich am unteren Rand des Grabsteins auch noch ein Schatten, der Schatten einer sich aufrichtenden kleinen Gestalt.
♫ Immer wieder sonntags – kommt die Erinnerung
röhrte ein Cindy-und-Bert-Imitator von Ferne, und der Schatten auf dem Grabstein richtete sich zur Höllenhundgröße auf. Ein schreckliches Gebiss war zu sehen, in das etwas Faustgroßes, vielleicht sogar Kopfgroßes eingeklemmt war. Der Schatten wuchs weiter. Hinter den Koniferen war satanisches Gekicher zu hören. Das Untier richtete sich mit zuckendem Riesenschweif auf, wie um ihn anzuspringen. Das war zu viel für Goldacker. Er drehte sich um und floh. Auch wenn er wusste, dass das Tier, das den Schatten geworfen hatte, ein Eichhörnchen war, das seine Nüsse versteckte, war der Anblick zu schauerlich. Das flackernde Grablicht verzerrte die Gestalt ins Überlebensgroße. Es war ein Zeichen. Für solche Aktionen war er nicht geeignet. Vielleicht dieser Dombrowski, den er jetzt verteidigte. Aber nicht er. Ein Mann trat ihm in den Weg. Abermals erschrak Goldacker fürchterlich.
    »Ich glaube, Sie haben Ihren Spaten vergessen«, sagte Ignaz Grasegger und reichte ihm das Gerät.
    »Da drüben, von dem Nussbaum, da kommen sie immer her, die Eichkatzerl«, sagte Ursel lächelnd. »Eine wirkliche Plage.«
    Als er den Friedhof verließ, hörte er wieder satanisches Gekicher in seinem Rücken.
     
    »Auf gehts zum
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