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Oberwasser

Oberwasser

Titel: Oberwasser
Autoren: Jörg Maurer
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Andenkenladen schon der erste Fisch ins Netz gegangen. Ein richtig dicker Fisch sogar!«
    Die Blaskapelle stimmte
♫ Mia san die lustigen Holzhackerbuam
an, eine Unterhaltung im eigentlichen Sinne war nicht mehr möglich. Aber einen besseren Vernebler und Zerhacker von geheimdienstlichen Informationen als einen Blasmusikmarsch gab es auch nicht.
    »Darf ich Sie etwas fragen?«, sagte Nicole zum Oberrat. »Das mit dem Schachspiel ist wirklich eine tolle Idee, aber warum steht das Brett mit den Figuren immer noch in Ihrem Büro?«
    »Ganz einfach: Ich kann testen, wem das auffällt. In Ihrem Team waren es übrigens zwei Beamte.«
    »Das ist Tatort-Profiling«, schoss Maria dazwischen. »Mit einem Blick sehen, was nicht reinpasst in den Raum.«
    »Es gibt aber noch einen Grund, warum das Spiel immer noch dasteht. Es ist keine Endstellung, es ist die
Anfangs
stellung. Ich spiele mit ein paar Kollegen eine spezielle Schachvariante: das Retro-Schach.«
    »Und wie funktioniert das?«
    »Man spielt rückwärts.«
    Zwei Männer kamen an den Tisch, Dr. Rosenberger begrüßte sie mit einem Nicken, sie setzten sich. Allen kamen die Männer verdammt bekannt vor. Und dann begriffen sie: Es waren die zwei Typen, bei denen sie damals raten mussten, welcher der BKA -Mann und welcher der Steuerberater war. Sie beteiligten sich lebhaft am Gespräch, redeten über Werdenfelser Bräuche und den allgegenwärtigen Föhn, machten jedoch auch jetzt überhaupt keine Anstalten, ihre Identitäten zu lüften.
    »Ich tippe einmal, Sie sind beide vom Psychologischen Dienst«, sagte Maria. »Sie sind Verhörspezialisten und testen den Flygare-Wirsen-Effekt: Das Verschweigen der eigenen Identität verleitet den anderen zu unvorsichtigen Äußerungen.«
    Keine Reaktion. Maria wurde übermütig.
    »Wenn sie weiter schweigen, dann erzähle ich Ihnen, in wen ich schon jahrelang verliebt bin!«
    Die beiden Männer prosteten ihr höflich und stumm zu.
     
    »Und du bist inzwischen schon drei Mal beim Zahnarzt gewesen?«, fragte Tina bewundernd.
    »Ja, ich habe meine Angst völlig verloren«, erwiderte Oliver Krapf. »Als nämlich der freundliche Zahnarzt die Sonde in meinen Mund geführt hat, habe ich mir vorgestellt, dass die Folter gleich beginnt, dass diese beiden Irren, Boris und Nadja, mir alle Zähne ausreißen. Als der wirkliche Zahnarzt mir dann nur leicht an den Backenzahn klopfte, war es ein derart wohliges Gefühl, dass die Behandlung richtig Spaß gemacht hat.«
    Sie hatten die Höllentalklamm von oben durchquert, jetzt plätscherte der Hammersbach wieder zahm dahin, man konnte sich gar nicht vorstellen, wie er grade eben noch gewütet hatte. Sie setzten sich auf das weiche Moos der Uferböschung und kühlten die Hände im Wasser.
    »Schön ist es hier«, sagte Tina. »Gute Idee von dir, einen Abendspaziergang durch die Klamm zu machen.«
    »Ich wollte endlich an den Ort des Geschehens.«
    »Glaubst du, dass an der Flößerlegende doch was dran ist?«
    »Auf jeden Fall. Ich hab da was im Netz entdeckt, Tina, das ist eine ganz heiße Sache. Im Ersten Weltkrieg ist ein italienischer Stoßtrupp bis ins Werdenfelser Land vorgerückt. Ein Zug von achtzehn bayrischen Artilleristen wollte die Eindringlinge aufhalten und hat sich hier in der Höllentalklamm verschanzt. Der italienische General Pascoli nahm sie in die Zange, indem er von oben und unten vorrückte. Als sich die beiden italienischen Kommandos in der Mitte trafen, waren die achtzehn bayrischen Artilleristen wie vom Erdboden verschwunden. Ahnst du was?«
    »Ich weiß nicht so recht. Du gibst wohl nie auf.«
    Sie beugten sich vor und badeten ihre Hände im Wasser.
    »Das waren gut ausgerüstete Soldaten«, sagte Oliver Krapf. »Wenn die tatsächlich in der Höhle gelandet sind, haben sie bestimmt versucht, Nachrichten nach draußen abzusetzen. Ich glaube, dass hier im Unterlauf des Baches jede Menge Hinweise zu finden sind. Es würde sich lohnen, das komplette Flussbett zu durchsieben!«
    Er durchplätscherte mit der Hand spielerisch den kleinen Bach, wie um das Gold- oder Münzsuchen anzudeuten. Tina tat es ihm gleich. Ihre Hände trafen sich im eiskalten Wasser.
     
    ♫ Humpftaa! Biersee … so groß wie der Schliersee!
, so tönte es im Bierzelt, Dr. Rosenberger hatte eine Runde ausgegeben, das Team hob kollektiv die Krüge. Zweihundertfünfzig Kilometer weiter nördlich ging es in einer kargen Dienststube weit ruhiger zu. Franz Himpsel las den Brief, den er geschrieben hatte, noch
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