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Nur ein Hauch von dir

Nur ein Hauch von dir

Titel: Nur ein Hauch von dir
Autoren: S. C. Ransom
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Augenblick länger in meinem Kopf, lang genug für mich, um die dunkelblonden Haare, die Anspannung in seinen Schultern wahrzunehmen und dass er in einen dunklen Umhang gehüllt war. Und dann, gerade als ich zum Lichtschalter greifen wollte, war die Erscheinung in meinem Kopf so schnell verschwunden, wie sie gekommen war, und ich stand alleine in dem dunklen Flur – mitten in einer Wasserpfütze.
    »Mist!«, schimpfte ich leise vor mich hin, als mir klar wurde, dass ich mir das alles nur eingebildet und außerdem auf dem Fußboden eine Sauerei veranstaltet hatte. Dann hörte ich, wie meine Mutter ihre Zimmertür öffnete, um nach der Ursache des Lärms zu sehen. Wenn ich sie aufweckte, war sie immer ziemlich mürrisch.
    Ich rannte die Treppe hoch, um sie abzufangen.
    »Tut mir leid, Mum«, flüsterte ich. »Ich wollte Grace ein Glas Wasser bringen, da bin ich über die Schuhe gestolpert und hab es fallen lassen.«
    Meine Mutter beschwerte sich ständig über die im Flur herumstehenden Schuhe, also musste sie mir das abnehmen.
    »Sei ein bisschen vorsichtiger, Alex. Und sieh zu, dass du alle Scherben aufliest.«
    »Okay. Tut mir leid, dass ich dich geweckt hab.«
    »Na, wenigstens weiß ich jetzt, dass ihr gut nach Hause gekommen seid.« Sie lächelte. »Hattet ihr einen schönen Abend?«
    »Er war okay«, sagte ich schnell. Gerade jetzt wollte ich nicht, dass sie mit einer ihrer endlosen Befragungen loslegte. Zum Glück verstand sie den Hinweis.
    »Das kannst du mir ja alles morgen erzählen. Bis dann beim …«
    »… Frühstück«, ergänzte ich und gab ihr einen Kuss.
    Sie verschwand in ihrem Zimmer, und ich rannte wieder nach unten, knipste das Licht an und begutachtete den Schaden. Es war gar nicht so schlimm. Das Glas war sauber entzweigebrochen, und es war nicht allzu voll gewesen, daher war die Pfütze auf den Dielen auch nicht so groß.
    Während ich den Boden aufwischte, durchforstete ich mein Gedächtnis. Es fiel mir einfach nicht ein, wo ich das Gesicht des Jungen schon einmal gesehen haben könnte. Wahrscheinlich im Fernsehen –, denn er war viel zu hübsch, um pure Einbildung zu sein. Und dann auch noch so ein strahlendes Bild, als wäre es direkt in meinen Kopf projiziert worden. Und das war das echt Seltsame dabei: Irgendwie hatte es gar nicht wie die Erinnerung an jemanden gewirkt, es war so gewesen, als wäre er wirklich da. Das alles ergab keinen Sinn, und schließlich gab ich es auf. Es war spät, und ich war müde. Vielleicht würde ich am Morgen eine bessere Idee haben.
    Ich holte ein neues Glas aus der Küche und ging wieder nach oben, gefasst darauf, von meiner Freundin verhört zu werden. Doch Grace war in der Zwischenzeit eingeschlafen. Die ausführliche Diskussion meiner verrückten Erscheinung musste warten.
    Am nächsten Morgen merkte ich, dass ich immer noch den Armreif trug. Er passte mir so gut, dass ich ihn gar nicht gespürt hatte. Ich ging nach unten, um für Grace und mich einen Kaffee zu holen, und während ich darauf wartete, dass das Wasser kochte, kratzte ich einen winzigen Fleck auf dem Stein ab. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, wieder einen Schatten über seine Oberfläche flattern zu sehen, doch beim zweiten Hinsehen war nichts mehr da. »Langsam werd ich verrückt«, brummelte ich in mich hinein und musste wieder an die letzte Nacht denken. »Armreifen können nicht zwinkern, und Bilder von fremden Typen können nicht in deinen Kopf projiziert werden.« Wie immer gab es auch an diesem Morgen in letzter Minute einen Alarmstart, und Grace und ich schnappten uns nur schnell einen Keks als Frühstück. Und auch so kamen wir gerade eben rechtzeitig aus dem Haus, um den Schulbus noch zu erwischen.
    Der Vorteil, auf einer Mädchenschule zu sein, die neben einer Jungenschule liegt, war enorm. Es war möglich, den Jungs aus dem Weg zu gehen, wenn man sich mies fühlte oder einen schlechten Tag hatte, aber wenn man es wollte, war es ganz leicht, sich in den Pausen am Zaun zu treffen. Der Gemeinschaftsbus der beiden Schulen war die Drehscheibe meines sozialen Lebens gewesen, seitdem ich elf geworden war – hier hatte ich jedes einzelne Schimpfwort unserer Sprache von den Jungs gelernt, hier diskutierten die Mädchen ihre Strategien, um denselben Jungs zu gefallen.
    Als wir in die Oberstufe gekommen waren, hatten sich die Dinge etwas geändert. Nun gehörten wir offiziell zu den Älteren, und man verlangte nicht länger von uns, eine Schuluniform zu tragen. Wir
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