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Nur ein Hauch von dir

Nur ein Hauch von dir

Titel: Nur ein Hauch von dir
Autoren: S. C. Ransom
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bisschen im Mondschein zu schaukeln. Als wir zum ersten Mal hierhergekommen waren, war ich neun gewesen und hatte mich für viel zu groß gehalten, um an den Schaukeln meinen Spaß zu haben. Heute nutzten Grace und ich sie regelmäßig als einen Ort, wo wir quatschen konnten, ohne dass uns jemand belauschte.
    Wir sprachen über Ashley. Ich kannte sie schon ewig. Von Anfang an waren wir in derselben Schule, wenn auch nicht immer in derselben Klasse gewesen. In gewisser Weise waren wir uns sehr ähnlich, aber wir lagen zu oft im Wettstreit und wurden so nie beste Freundinnen. Doch wir hatten auch gute gemeinsame Zeiten gehabt, wie bei der Reise nach Frankreich während der Mittelstufe, bei der sie und ich den Angriff auf die Schlafräume der Jungen geleitet hatten, aber auch vor kurzem bei der Reise mit dem Chor. Doch die Sache mit Rob hatte das alles kaputtgemacht. Sobald klar war, dass wir ihn beide wollten, war auch klar, dass der zerbrechliche Frieden zwischen uns zu Bruch gehen würde.
    Mit Grace war das Leben viel einfacher. Vom Aussehen her, nach unseren Ansichten und unseren Vorlieben waren wir ziemlich verschieden, aber irgendwie auch beste Freundinnen. Und zum Glück schwärmten wir nie für dieselben Jungs. Stattdessen hatten wir in den letzten sechs Jahren zusammen katastrophale Dramen erlebt, die entsetzliche Schmach, von Jungs abgewiesen zu werden, und dann noch die ständige lästige Neugier unserer Mütter. Inzwischen wussten wir immer, wann die andere in Schwierigkeiten war, und hatten die unheimliche Fähigkeit, uns gegenseitig genau zum richtigen Zeitpunkt anzurufen. Ich vertraute ihr vollkommen, und ich wusste, dass sie und ich für immer Freundinnen bleiben würden.
    Wir lachten immer noch leise über die Jungs, als wir uns ins Haus schlichen und versuchten, meine Eltern nicht zu sehr zu stören. Es war ein Jammer, dass wir am nächsten Morgen früh aufstehen mussten – wir hätten noch die ganze Nacht weiterquatschen können.
    Ich überdachte noch einmal den Tag und war verzweifelt über den Zustand meiner neuen Jeans, als mir der Armreif wieder einfiel. Ich sprang aus dem Bett und kramte in meinem Rucksack danach. Im schwachen Licht glänzte das Silber, und der Stein wirkte wie ein tiefer Kobaltteich. Ich hatte ihn doch ziemlich gut sauber bekommen. Er glich gar nicht mehr dem angelaufenen Metallreif, den ich aus dem Schlamm gefischt hatte.
    Ich streifte mir das Schmuckstück über das Handgelenk. Er passte echt angenehm, als wäre er extra für mich gemacht worden. Während ich den Stein betrachtete, überkam mich eine wohltuende Ruhe. Es fühlte sich irgendwie richtig an, ihn zu tragen, und falsch, dass er so lange Zeit unter Kies und Schlamm gelegen hatte. Ich hielt ihn näher ins Licht meiner Nachttischlampe, um ihn genauer betrachten zu können. Es war atemberaubend, wie das Licht im Stein tanzte – fast als würde er seine Rettung feiern. Ganz ohne Frage war der Armreif das phantastischste Schmuckstück, das ich je gesehen hatte. Ich versprach mir selbst, ihn am nächsten Tag wirklich sorgfältig zu reinigen. Gerade wollte ich das Licht ausschalten, als Grace anfing zu husten.
    »Das ist nichts«, wehrte sie meinen besorgten Blick ab, »nur so ein Kratzen.«
    »Du brauchst was zu trinken«, entschied ich. »Ich flitz mal schnell in die Küche runter und hol dir ein Glas Wasser.« Ich hatte schon oft mit ihr in einem Zimmer übernachtet und kannte das schon. Grace konnte die ganze Nacht im Schlaf durchhusten.
    Unten war es sehr dunkel, da alle längst zu Bett gegangen waren. Ich nahm ein Glas aus dem Schrank, füllte es am Wasserhahn, ging zurück in den Flur und blickte auf den schweren Reif an meinem Handgelenk. Gedankenverloren berührte ich das kühle Silber, und mit einem Mal sah ich im Geiste das Bild eines umwerfenden Jungen. Es war, als wäre er direkt vor mir erschienen. Es kam so überraschend, dass ich zurücksprang, einen Schrei unterdrückte und das Glas fallen ließ. Sein Gesicht wirkte edel, aber auch irgendwie leidenschaftlich. Er hatte klare blaue Augen, ausgeprägte Wangenknochen und ein kräftiges Kinn. Seine Haut war einfach vollkommen: glatt rasiert und leicht gebräunt und mit einem kleinen Grübchen gleich neben dem Mund. Noch nie hatte mich ein Mensch derart durcheinandergebracht. Er sah ein bisschen verblüfft und zugleich seltsam traurig aus, die Augenbrauen hochgezogen und die schönen Lippen zu einer dünnen Linie zusammengepresst.
    Sein Bild blieb noch einen
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