Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht
Autoren: Sabine Kornbichler
Vom Netzwerk:
in den Hintergrund getreten.
    Christian hatte Recht gehabt mit seiner Vermutung: Ich blieb tatsächlich nicht bis zum Frühstück. Ich war viel zu durcheinander und aufgewühlt. Außerdem wollte ich diesem zarten Pflänzchen, das dabei war, sich in meinem Herzen einzunisten, nicht gleich zu viel zumuten. Sollte es eine Chance haben zu wachsen, dann brauchte es Zeit.
    Morgens um halb fünf verließ ich das Hotel. Eine halbe Stunde später saß ich bereits auf Oskars Rücken. Ich hatte nicht eine Sekunde lang darüber nachgedacht, wohin der Weg uns führen würde. An diesem Morgen gab es nur ein Ziel: den Strand. Es war erst sechs Wochen her, dass ich zur Feier meines Fünfjährigen am Strand der Hohwachter Bucht entlanggaloppiert war. So vieles war in dieser Zeit geschehen. Das meiste davon wollte ich so schnell wie möglich hinter mir lassen.
    Die Energie, die mich so früh hinausgetrieben hatte, schien auf Oskar überzuspringen. Er tänzelte aufgeregt, als wir den Strand erreichten. Als ich endlich die Zügel locker ließ, hob er den Kopf und preschte los. In null Komma nichts waren wir beide mit Salzwasser bespritzt.
    Es mag sein, dass Oskar an diesem Morgen einen Rekord zwischen Lippe und Hohwacht aufstellte. Aber vielleicht war es auch, nur ein Gefühl, denn ich hatte anderes im Sinn, als die Zeit zu messen. Sie war mir gleichgültig, ebenso wie das Risiko, bei diesem verbotenen Ritt am Strand erwischt zu werden.
    Christian rief gegen Mittag an und umarmte mich mit Worten, die für Sekunden meine Fluchtinstinkte aufflackern ließen. Aber er ließ mir keine Zeit zu entkommen.
    »Nadine ist verschwunden«, sagte er in einem Tonfall, der eher Verwunderung als Besorgnis ausdrückte. »Ihr Bett ist unberührt. Wir warten schon den ganzen Vormittag auf sie. Sie wollte heute abreisen, und wir brauchen das Zimmer. Weißt du, wo sie sein könnte?«
    Ich konnte mir gut vorstellen, dass die Gespräche mit Karen und mir sie veranlasst hatten, ihre Koffer zu packen und sich davonzustehlen. »Bist du sicher, dass ihr Gepäck noch da ist?«
    »Ja. Susanne hat nachgesehen. In ihrem Zimmer sieht alles so aus, als sei sie nur kurz hinausgegangen.«
    In diesem Moment kam Heide kreidebleich in mein Büro und machte mir Zeichen, das Telefonat zu unterbrechen. »Christian, entschuldige bitte, ich muss aufhören. Ich rufe dich später zurück.« Fragend sah ich sie an.
    »Ich muss mit dir reden!« Offensichtlich stand sie unter großem Druck und konnte weder Hände noch Beine ruhig halten. So hatte ich sie noch nie erlebt.
    Mit einer einladenden Geste forderte ich sie auf, sich zu setzen. Kaum saß sie, sprang sie jedoch schon wieder auf und lief unruhig vor mir auf und ab, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen.
    »Was ist los, Heide?«, fragte ich alarmiert.
    »Ich war im Gefängnis. Acht Jahre lang. Ich habe dir das nicht gesagt, weil ...? «
    »Warum sagst du es mir jetzt?«
    Sie schien meine Frage gar nicht gehört zu haben. »Ich habe wegen Totschlags gesessen. Meine Mutter ...« Sie geriet ins Stocken. »Ich habe sie im Affekt getötet.«
    Mir war, als hätte ich einen Schlag vor den Kopf bekommen. »Warum?«
    »Weil sie meinem Hund Rattengift gegeben hat. Ich hatte nur ihn«, sagte sie mit starrem Blick. »Er war dreizehn Jahre alt, schwerhörig und fast blind. Wenn jemand zu schnell auf ihn zukam und ihn erschreckte, dann knurrte er manchmal, aber das war vollkommen harmlos. Als ich wegen einer Blinddarm-Operation ins Krankenhaus musste, habe ich ihn bei ihr in Pflege gegeben. Abgeholt habe ich dann nur noch einen Karton mit Halsband, Leine und Fressnapf. Den hatte sie sogar fein säuberlich gespült. Sie hat gesagt, der Hund hätte sowieso schon auf dem letzten Loch gepfiffen und es nicht mehr lange gemacht, Ich sollte froh sein, ihn los zu sein.« Ihr Blick wurde unruhig und irrte im Büro umher, »Da habe ich mir den nächstbesten Gegenstand gegriffen und zugeschlagen.«
    Es dauerte einen Moment, bis meine Benommenheit einem Gedanken wich, der sich immer stärker in den Vordergrund drängte. »Heide ... warum erzählst du mir das? Warum ausgerechnet jetzt? Was ist geschehen?«
    »Ich wollte, dass du es von mir erfährst.«
    »Von wem denn sonst?«, fragte ich verwirrt.
    »Zwei Beamte von der Mordkommission sind draußen im Stall und sprechen mit Basti. Ich habe ihn gebeten, sie einen Moment hinzuhalten.«
    »Die Mordkommission?«
    Sie nickte. »Es wird nicht lange dauern, bis sie herausfinden, dass ich vorbestraft
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher