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Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht
Autoren: Sabine Kornbichler
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ihnen.
    Während meine Tränen nach und nach versiegten und einer Art Betäubung wichen, fragte ich mich, ob ich Karens entsetzliche Tat hätte verhindern können. Aber dazu hätte ich ahnen müssen, dass sie bereit war, so weit zu gehen. Als ich die beiden hatte zum Strand davongehen sehen, hatte ich angenommen, es würde zwischen ihnen zu einem heftigen Streit kommen. Ein Mord hatte außerhalb meiner Vorstellungskraft gelegen. Es musste einen Auslöser dafür gegeben haben. Warum sonst hatte sie, die Nadine bereits bei der Polizei angezeigt hatte und auf deren Hilfe hoffen konnte, zur Selbstjustiz gegriffen? Vielleicht würde Rieke Lohoff mir diese Frage beantworten können.
    Als es klopfte, schrak ich zusammen. Einen Moment lang packte mich die Angst, Karen könne vor der Tür stehen. Aber es war Christian, der mir einen großen Topf entgegenhielt.
    »Du hast heute bestimmt noch nichts gegessen«, sagte er mit besorgtem Blick.
    »Das ist lieb, aber ich habe keinen Hunger.« Ich nahm ihm den Topf aus der Hand und trug ihn in die Küche.
    Er war hinter mir hergekommen und nahm mich wortlos in den Arm. Ich weiß nicht, wie lange wir eng umschlungen dastanden. Für eine Weile wollte ich an nichts denken, ich wollte nur spüren, wie mein Herz ganz nah an seinem klopfte. Schließlich nahm er meine Hand und zog mich hinter sich her zu den Steinen am Meer.
    »Ich habe die beiden zusammen weggehen sehen«, sagte ich tonlos.
    »Tu das nicht, Carla! Du hast nicht wissen können, was passieren würde. Genauso wenig wie Nadine. Schuldig ist in diesem Fall allein diese Ärztin. Man hat sie übrigens noch nicht gefunden, die Polizei fahndet nach ihr.«
    »Bist du deshalb hier? Aus Angst, dass sie auch mir etwas antun könnte?«
    »Dieser Gedanke ist mir gekommen. Susanne hat mich im Telegrammstil in die Zusammenhänge eingeweiht. Aber ich hätte auch so bei dir vorbeigeschaut.« Während er aufs Meer hinaussah, nahm er meine Hand und küsste sie. »Einerseits weiß ich genau, dass ich dir einen riesigen Freiraum lassen muss, damit du mir nicht wieder davonläufst, andererseits sehne ich mich nach dir.«
    »Das mit dem Freiraum ist gut.«
    »Und das mit dem Sehnen?«
    »Das kommt mir irgendwie bekannt vor ...«
    Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war Christian bereits gegangen. Neben dem Bett fand ich einen Zettel:  Irgendwann wirst du neben mir aufwachen, mit mir frühstücken und dich fragen, warum die Menschen dazu neigen, sich das Beste stets bis zum Schluss aufzuheben. Ich glaube, es hat nichts mit Vorfreude zu tun, sondern mit der Überzeugung, dass ein Kreis sich immer schließt und so ein Schluss zum Anfang wird.  Mein Lächeln machte sich selbständig. Es fühlte sich an, als würde es von einem Ohr zum anderen reichen.
    Später las ich Oskar den Zettel vor und schloss ans seinem Schnauben, dass es sich bei den. Pferden anders verhielt. Er wollte nicht auf seine Karotten warten, er wollte sie sofort. Aber er wusste auch nichts von Kreisen, die sich schließen.
    Ich war früher als üblich im Stall und rief aus einer Ahnung heraus nach Heide. Ihre Antwort kam aus Oskars Box, wo sie ihren Schlafsack ausgebreitet hatte.

    »Hast du dich beruhigt?«, fragte ich sie mitfühlend.
    Sie nickte. Zum Glück hatte sie wieder etwas mehr Farbe im Gesicht. »Sie haben sich gar nicht für mich interessiert. Und du?«
    »Ich glaube, ich bin erst dann wirklich ruhig, wenn die Frau gefasst ist. Sie hat nichts mehr zu verlieren.«
    »Das ist ein gefährlicher Zustand.« Sie wusste, wovon sie sprach.
    In meinem Rücken hörte ich schnelle Schritte in der Stallgasse. Ich wandte mich um und sah Melanie auf mich zukommen.
    Mit einem knappen Nicken in Heides Richtung fragte sie: »Kann ich dich kurz allein sprechen, Carla?«
    »Lass uns nach draußen gehen.«
    Wir hatten die Stalltür noch nicht ganz hinter uns gelassen, als die Worte aufgeregt aus ihr heraussprudelten. »Karen hat vorletzte Nacht bei mir übernachtet. Sie war völlig aufgelöst, hat eine Zigarette nach der anderen geraucht und nur immer wieder gesagt, sie müsse in Ruhe nachdenken. Und zu jeder vollen Stunde hat sie das Radio eingeschaltet und Nachrichten gehört. Da wusste ich noch nichts von dem Mord.«
    »Weißt du, wo sie ist?«
    »Nein.« Fröstelnd schlang sie die Arme um ihren Oberkörper. »Ich wollte, dass Nadine für das büßt, was sie Udo angetan hat. Ich ... wir wollten sie vor Gericht bringen.«
    »Begreifst du, warum Karen sie umgebracht
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