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Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht
Autoren: Sabine Kornbichler
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können, für sie hinfällig geworden.
    Ich atmete tief durch, als ich davon hörte, aber ich konnte nicht aufatmen. Dazu war zu viel geschehen.
    »Wir beide haben viel Glück gehabt«, sagte Susanne, als ich später mit ihr darüber sprach. »Wir haben den Hass irgendwann abgestreift. Bei Nadine scheint er zum Lebensthema geworden zu sein. Ich glaube nicht, dass ihre Rache ihr die ersehnte Erlösung und Genugtuung gebracht hat, dazu hat der Hass sie zu lange begleitet.«
    »Meinst du, sie hätte eine Chance gehabt, wenn sie am Leben geblieben wäre?«
    »Ziemlich sicher wäre sie für einige ihrer Taten verurteilt worden. Außerdem hatte sie diesen Rachefeldzug zu ihrem Lebensinhalt gemacht. Danach für sich selbst ein neues Lebensziel zu finden halte ich zumindest für schwierig und langwierig. Aber diese Gedanken sind müßig, Carla, sie ist tot.«
    »Und Karen und Udo haben ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt«, sprach ich meine Gedanken laut aus. »Der Arm der Vergangenheit hat schrecklich weit in unsere Gegenwart gereicht.«
    Ein paar Tage nachdem Karen tot aufgefunden worden war, kehrte auf dem Bungehof der Alltag wieder ein. Unzählige Male hatte ich ihn in den vergangenen Wochen herbeigesehnt, doch jetzt hatte ich Schwierigkeiten, mich wieder darin zurechtzufinden. Mir kam es vor, als wäre ich aus dem Takt geraten. Zum ersten Mal half mir auch die Arbeit nicht, mich abzulenken. Wann immer es möglich war, verzog ich mich zu Oskar oder auf meine Steine am Meer. Christian hatte gute Antennen dafür, dass es besser war, mich während dieser Zeit ganz mir selbst zu überlassen. Ich musste wieder zu mir kommen, und das konnte ich am besten alleine. Immer wieder ging ich in Gedanken die vergangenen Wochen durch und landete dabei unweigerlich in einer Zeit, die zwanzig Jahre zurücklag. Ich erlebte noch einmal die Schikanen der  glorreichen Fünf , um dann endlich eine Tür hinter ihnen zuzuschlagen.
    Ich weinte um die Nadine, die ich zu jener Zeit kennen gelernt hatte, und ich ließ den heftigen Groll zu, den ich ihr gegenüber immer noch hegte. Irgendwann würde ich für sie beten, dass sie im Tod die Ruhe finden möge, die ihr im Leben nicht vergönnt gewesen war. Aber bis dahin war es noch weit.
    Als ich endlich wieder aus der Versenkung hervorkam, versammelte ich an einem wunderschönen Sommerabend die Menschen, die mir am Herzen lagen, um einen Tisch in meinem Garten: Christian, Susanne, Franz Lehnert, Basti und Heide. Selbstverständlich war auch Oskar in der Nähe. Während wir uns über Grillfleisch, Folienkartoffeln und Salat hermachten, durfte er an meiner Buchenhecke knabbern.
    Am nächsten Tag setzte sich Susanne zum ersten Mal auf eines der Schulpferde. Heide hatte gefragt, ob sie zuschauen dürfe. Sie blieb während der gesamten ersten Stunde am Rand des Vierecks stehen und schien jedes meiner Worte aufzusaugen. Gegen Ende des Unterrichts ging sie Richtung Stall davon.
    »Ich habe übrigens nichts dagegen, wenn sie beim Unterricht mitmacht«, sagte Susanne, die ihr aufmerksam hinterhersah.
    »Du meinst, sie möchte reiten lernen?«
    »Sie hat da bestimmt nicht die ganze Zeit gestanden und zugesehen, um bei nächster Gelegenheit als völliger Laie Reitunterricht zu erteilen.« Nachdem sie ein paar Schritte gegangen war, blieb sie unvermittelt stehen. »Wenn sie allerdings wüsste, wie sehr ihr der Hintern wehtun wird, dann würde sie nicht so sehnsuchtsvoll gucken.«
    Ich lachte. »Ich werde sie fragen. Wenn sie mag, kann sie übermorgen gleich mitmachen.«
    »Wenn ich dann überhaupt schon wieder sitzen kann.« Susanne klopfte ihrem Pferd den Hals und gab ihm eine Möhre.
    Die Testamentseröffnung bestätigte, was Franz Lehnert mir bereits verraten hatte: Mein Vater hatte mir eine Menge Geld hinterlassen. Es war etwas mehr als die Hälfte dessen, was die Wellbod AG Hans Pattberg für den Bungehof geboten hatte. Gleichermaßen ängstlich und hoffnungsvoll klingelte ich bei Bastis Großvater. Um ihn gnädig zu stimmen, tat ich es so zaghaft, dass ich schon Sorge hatte, er würde es gar nicht hören. Als er mir öffnete, konnte ich auch in seinem Gesicht Hoffnung aufblitzen sehen.
    »Herr Pattberg, ich habe Ihnen ein Geschäft vorzuschlagen«, begann ich forsch, bevor mich der Mut verließ.
    Zum ersten Mal in all den Jahren bat er mich ins Haus. »Herein, herein!« In einer für sein Alter ungewöhnlichen Geschwindigkeit eilte er mir voraus.
    Ich folgte ihm in sein Arbeitszimmer und nahm gegenüber
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