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Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht
Autoren: Sabine Kornbichler
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Vertragspartner weiterhin im alten Herrenhaus wohnen würde. Was war schon diese Klausel gegen das Heimweh, das ich damals endgültig hinter mir gelassen hatte? Selbst als ich ihn mit der Zeit als manchmal unerträglichen Geizkragen kennen lernte, hatte ich meinen Schritt nie bereut. Schließlich hatte ich nicht nach dem Paradies gesucht, sondern nach einem Ort zum Bleiben.
    Mit jedem Schritt, den wir dem Meer näher kamen, erwachte Oskar mehr zum Leben. Er hob den Kopf und blähte die Nüstern.
    Ich tätschelte seinen Hals. »Gleich darfst du rennen, mein Freund.«
    Nachdem wir den Hafen von Lippe hinter uns gelassen hatten, hielt ich Ausschau nach möglichen Beobachtern. Zum Glück war niemand zu sehen. In meine Erleichterung mischte sich eine unbändige Vorfreude. Kaum hatte Oskar den ersten Huf in den Sand gesetzt, gab ich ihm mit einem leichten Schenkeldruck zu verstehen, dass es losging. Hatte ich ihn eine halbe Stunde zuvor noch antreiben müssen, schien ihn nun alle Müdigkeit verlassen zu haben. Er fiel in einen Galopp, der mich vergessen ließ, dass ich auf einem vierzehnjährigen Pferd saß. Mit ein paar kräftigen Sätzen landeten wir am Wassersaum und preschten den menschenleeren Strand entlang. Hätte der Wind mir keine Tränen in die Augen getrieben, dann hätte es meine überschäumende Freude getan.
    Wie soll ich dieses Gefühl von Freiheit beschreiben? Wie dieses Aufgehen in der Natur und den Rausch der Geschwindigkeit? Jedes für sich war elementar und bescherte mir ein tiefes Glücksgefühl.
    Vor Hohwacht drehte ich um und ließ Oskar in Schritt fallen. Mein Blick folgte einer Krähenscharbe, die auf der Suche nach einem Fischfrühstück tief übers Wasser flog. Bis auf ein paar Möwen war sie das einzige Wesen, das weit und breit zu sehen war.
    »Ist das nicht wundervoll?« Ich ließ die Zügel los, breitete meine Arme aus und versuchte, meine kleine Welt zu umarmen, was darin endete, dass ich Oskars Hals umfing.
    Kurz vor dem Hafen suchte ich den Horizont ab, aber mein kleines Haus war noch nicht zu sehen. Erst hinter der nächsten Kurve erkannte ich mit viel Phantasie sein mit Moos bewachsenes Reetdach.
    Hans Pattberg hatte mir das fünf mal sechs Meter messende Haus, das ein paar hundert Meter vom Bungehof entfernt direkt am Meer lag, für eine weit überhöhte Miete überlassen. Hätte ich mich nicht auf den ersten Blick in dieses Haus, das einer Puppenstube glich, verliebt, wäre ich nie bereit gewesen, so viel dafür zu zahlen. Mein Vermieter hatte jedoch leichtes Spiel mit mir gehabt - meine Begeisterung war ihm nicht entgangen. Später hatte ich erfahren, dass das Haus wegen seines Mangels an Komfort zwei Jahre lang leer gestanden hatte. Es hatte ein winziges Bad, eine noch kleinere Küche und einen Raum, in den ich Bett, Schrank, Tisch, zwei Stühle, ein altes Sofa und ein Regal zwängte, das unter der Last meiner Bücher bedrohlich ächzte. Da ständig neue hinzukamen und ich nicht wagte, sein Durchhaltevermögen noch mehr zu strapazieren, hatte ich Büchertürme über den ganzen Raum verteilt.
    Der damals noch verwilderte Garten hatte sich unter meinen Händen in einen Miniatur-Bauerngarten verwandelt, der vom Frühjahr an in allen Farben erblühte. Auf der Rückseite des Hauses führte eine Treppe über einen aus großen Steinen geformten Wall hinunter zu einem Kiesgürtel, hinter dem das Meer begann.
    Als wir in den schmalen Feldweg bogen,, der zum Haus führte, erkannte ich Christian Flints Auto auf meinem Parkplatz.
    »Wir haben Besuch, Oskar!« Mit einem Lächeln sprang ich aus dem Sattel und lief durch den Garten. Hinterm Haus überraschte ich Christian, der dabei war, Nacktschnecken aus meinem Hortensienbeet zu sammeln.
    »Du bist der einzige Mensch, den ich kenne, der Nachtschnecken klaut«, sagte ich außer Atem. »Willst du sie in Häuser stopfen und deinen Gästen zum Dinner servieren?«
    »Guten Morgen, Carla!« Er fuhr fort, die glitschigen Viecher in einer Blechdose verschwinden zu lassen, die ursprünglich einmal Mischgemüse beherbergt hatte.
    Ich sah ihm angewidert dabei zu. »Du musst sie nicht stehlen, ich schenke sie dir.«
    »Ganz davon abgesehen, dass die Eigentumsverhältnisse im Fall von wandernden Nacktschnecken ungeklärt sind, kommst du vielleicht bei ein wenig längerem Nachdenken darauf, dass ich dir gerade etwas schenke.«
    »Und das wäre?«
    »Eine vorübergehend schneckenfreie Zone.« Er wandte sich um und warf mir einen amüsierten Blick zu. »Und zur
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