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Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht
Autoren: Sabine Kornbichler
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Naturverbundenheit aus, die auf manche Frauen einen animalischen Reiz ausüben würde. Nicht zu vergessen die Mädchen, die nachmittags und an den Wochenenden in den Stall kamen und halfen. Sie würden sich allesamt in diese grau-blau gesprenkelten Augen verknallen, die einen ansahen, als sei man in diesem Augenblick der wichtigste Mensch auf der Welt.
    »Was ist mit Männern?«, fragte er.
    Sekundenlang starrte ich ihn an. »Die Frage verstehe ich nicht.«
    »Muss ich von den Männern auch die Finger lassen?«
    »Ich hoffe, das war nur ein Scherz!« Ich räusperte mich. »Dann führe ich dich jetzt schnell herum.«
    Da er die Anlage kannte, musste ich mich nicht lange mit den Örtlichkeiten aufhalten. Im Eilschritt führte ich ihn durch den in U-Form gebauten Stall, an dessen kurzer Seite sich Sattelkammer, Futterkammer und Büro befanden, und gab ihm die nötigen Instruktionen. »Dir mag es übertrieben vorkommen, aber oberstes Gebot auf dem Bungehof sind Ordnung und Disziplin. Ich habe mir meinen guten Ruf hart erkämpft, und ich möchte nicht, dass er durch eine unordentliche Sattelkammer, schlampig ausgemistete Boxen oder schlecht geputzte Pferde Risse bekommt. Und da ich nicht überall zur gleichen Zeit sein kann, bin ich darauf angewiesen, dass du mit mir an einem Strang ziehst.«
    »Wenn du es könntest, würdest du es tun, oder?«
    »Was?«
    »Überall zur gleichen Zeit sein.«
    Ich hatte angenommen, unsere elf Jahre Altersunterschied würden ihm ein wenig Respekt einflößen, aber das schien nicht der Fall zu sein. Wenn mich nicht alles täuschte, machte er sich gerade über mich lustig.
    »Für einen Kontrollfreak müsste das ein paradiesischer Zustand sein«, fuhr er mit ungerührter Miene fort.
    Die Frauen, die zum Reitunterricht eintrafen, enthoben mich einer Antwort Während ich jeder von ihnen ein Schulpferd zuwies, beobachtete ich, wie zwei von ihnen Basti mit wohlwollenden Blicken folgten, was er mit einem ebensolchen Lächeln quittierte.
    Hatte ich mich etwa missverständlich ausgedrückt? Das fing ja gut an. Welcher Teufel hatte mich geritten, den Pattberg-Enkel einzustellen? Wie sollte dieser Springinsfeld Respekt vor der Pächterin seines Großvaters haben? Insgeheim fluchte ich. Basti hatte mich genau beobachtet und sagte im Vorbeigehen leise: »Du hast nur etwas von Fingern gesagt, von Mimik war nicht die Rede.«
    In diesem Moment hätte ich ihm am liebsten den Hals umgedreht. Stattdessen vergrub ich meine Hände in den Hosentaschen und tat so, als ignoriere ich ihn. »Ich erwarte euch draußen auf dem Viereck«, rief ich den Frauen zu und verließ ruhigen Schrittes den Stall.
    Die vergangenen drei Jahre hatten mich verwöhnt. Bastis Vorgänger war in jeder Hinsicht zuverlässig und vertrauenswürdig gewesen. Einen ähnlich guten Mitarbeiter würde ich nie wieder finden. Zu meinem Leidwesen hatte er sich unsterblich in eine Schwäbin verliebt und eine Stelle in einem Stuttgarter Stall angenommen.
    Nach und nach kamen die Frauen mit den Pferden aus dem Stall und lenkten mich für die nächste Stunde ein wenig von meinen Zweifeln gegenüber Basti ab. Als ich schließlich eine zweite Gruppe unterrichtete, war ich fast schon wieder zuversichtlich, was meinen neuen Helfer betraf. Worüber rege ich mich überhaupt auf?, überlegte ich, während ich automatisch den Sitz meiner Schülerinnen korrigierte. Über ein paar renitente Worte? Vielleicht machte er seine Arbeit gar nicht schlecht. Außerdem war ich auf ihn angewiesen. Susanne konnte ich diese Doppelbelastung längst nicht mehr zumuten. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mich mit ihm zu arrangieren.
    »Glückwunsch, Frau Bunge«, ertönte, kaum hatte ich nach dem Unterricht damit begonnen, im Büro die Anwesenheitslisten für beide Kurse auszufüllen, die Stimme von Hans Pattberg. Mit einer Geste, als handle es sich um eine Fünfhundert-Gramm-Dose Beluga-Kaviar, schob er mir eine mit senfgelbem Geschenkband umwickelte Büchse Ölsardinen über den Tisch. Ich bedachte die Dose mit einem freundlichen Blick und nahm mir vor, später das Verfallsdatum genau unter die Lupe zu nehmen, damit Susannes Katzen nicht an Fischvergiftung starben. »Zum Fünfjährigen«, sagte er feierlich. »Wo Sie das Meer doch so lieben.«
    »Nett, dass Sie daran gedacht haben.«
    Während er seinen Blick aufmerksam durch das Büro wandern ließ, blieb meiner wie immer, wenn ich ihm begegnete, fasziniert an seiner Erscheinung hängen. Seiner immer noch vollen,
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