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Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht
Autoren: Sabine Kornbichler
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aber inzwischen aschgrauen Haarpracht rückte er regelmäßig selbst mit einer Schere zu Leibe. Nach dem Motto: Warum unnötig Geld für einen Friseur ausgeben, wenn man zwei gesunde Hände hat? Dass diese Hände nicht unbedingt zur Filigranarbeit taugten, schien ihn nicht zu stören. Genauso wenig wie die Büschel von Haaren, die ihm aus Ohren und Nase wuchsen und einzig und allein vom natürlichen Haarausfall bedroht waren. Ich war überzeugt, dass sein Geiz es ihm verbot, sich einen Spiegel anzuschaffen. Anders konnte ich mir diese ästhetische Entgleisung nicht erklären. Genauso wenig wie die modische, die sich von seinem Hals an abwärts breit machte. Hans Pattberg lief, seit ich ihn kannte, in Hosen, Hemden, Pullovern und Schuhen herum, mit denen er in den frühen sechziger Jahren ohne Zweifel Furore gemacht hatte. Zugute halten musste ich ihm, dass keines dieser antiquierten Stücke Löcher aufwies. Wie es sich für einen Geizhals gehörte, pflegte er jedes Teil mit ebenso viel Hingabe wie Mottenpulver.
    »Fünf Jahre sind eine lange Zeit«, sagte er. Die Gegenstände auf dem Tisch zwischen uns schienen seinen Blick magisch anzuziehen. Während ich mich noch fragte, was an ein paar Heftern, Listen und Stiften so spannend war, fuhr er fort: »Da sammelt man jede Menge Erfahrung. Sie könnten doch jetzt jederzeit wieder so einen Stall aufziehen.«
    »Theoretisch ja, aber ich habe mit dem Bungehof alle Hände voll zu tun.«
    »Wird Ihnen das nicht manchmal ein bisschen zu viel?« Ich sah ihn irritiert an. Er war doch sonst nicht so teilnahmsvoll. »Die vergangenen Monate waren hart, aber jetzt ist ja Ihr Enkel hier...«
    Er stützte sich mit beiden Händen auf die Tischplatte und kam mir dabei so nah, dass mich der Duft des Mottenpulvers um­ wehte. »Sie sind nicht mehr ganz jung, Sie wollen bestimmt bald Kinder haben. Nur wie wollen Sie bei der vielen Arbeit, die Sie hier am Hals haben, noch einen Mann abbekommen?«
    Der Mann, der mich noch nicht einmal in sein Haus ließ, weil er angeblich Privates und Berufliches so strikt trennte, kümmerte sich plötzlich um meine Familienplanung? Aus diesem mehr als merkwürdigen Ansinnen würde hoffentlich keine Gewohnheit. »Der wird sich beizeiten finden«, meinte ich zugeknöpft.
    Er sah mich unter seinen buschigen Brauen aus zusammengekniffenen Augen an. »Mit dieser Einstellung ist schon aus so mancher eine alte Jungfer geworden.«
    Betont sachlich sagte ich: »Solange ich die Pacht bezahlen kann, Herr Pattberg, müssen Sie sich um meinen Familienstand keine Sorgen machen.«
    »Die Pacht ... danke für das Stichwort.« Er beugte sich näher zu mir. »Ich würde mich gerne mit Ihnen über den Vertrag unterhalten.« Sein Blick entwickelte die Kraft eines Schraubstocks. »Könnten Sie sich vorstellen, ihn unter gewissen Bedingungen aufzulösen?«
    »Auf gar keinen Fall! Der Bungehof läuft bestens, es besteht kein Grund ....«
    »Das ist der beste Beweis, dass Sie Ihr Handwerk verstehen. Was man einmal geschafft hat, schafft man auch ein zweites Mal.«
    In diesem Moment flog die Tür auf und Basti kam herein. Frech grinsend musterte er seinen Großvater von oben bis unten. »Für wen hast du dich denn so chic gemacht?«
    Chic? Litt denn in dieser Familie jeder an Geschmacksverirrung?
    »Sei nicht so vorlaut, Junge.« Von einer Sekunde auf die andere wandelte sich sein geschäftsmäßiger Ton in einen warmen und strafte seine zurechtweisenden Worte Lügen. Der Blick, mit dem Hans Pattberg seinen Enkel bedachte, war der eines liebenden Großvaters. »Wenn es nichts Wichtiges ist, komm später wieder, ich habe mit Frau Bunge zu reden.«
    »Wir können unsere Unterhaltung auch ein anderes Mal fortsetzen«, setzte ich mich zur Wehr. »Basti hat ...«
    »Können wir nicht, es eilt!«
    Fassungslos starrte ich ihn an. Der Bungehof hatte Fünfjähriges, Basti seinen ersten Tag, und der Alte hatte nichts Besseres zu tun, als mit einer Büchse Ölsardinen bei mir aufzutauchen und das Kommando an sich zu reißen.
    »Geh wieder an deine Arbeit, Junge, und mach die Tür hinter dir zu.«
    »Sie ist meine Chefin.« Mit einer knappen Kopfbewegung deutete Basti in meine Richtung. »Ich will es mir nicht gleich am ersten Tag mit ihr verscherzen.«
    »Und sie ist meine Pächterin!«
    Ich kam mir vor wie ein Tennisball, der zwischen zwei Spielern hin- und hergeschlagen wird. »Und sie ist anwesend! Basti, hattest du eine Frage?«
    »Im Stall ist eine Frau, die sich für Reitstunden
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