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Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht
Autoren: Sabine Kornbichler
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unterstrichen)  zur Feier Deines Fünfjährigen.
    Sie hatte also auch daran gedacht.
Da Du um sieben nicht da warst, habe ich die Pferde gefüttert. Schade, dass meine Arbeit im Stall nun beendet ist, ich hätte mich daran gewöhnen können. Ich hoffe nur, Du hast mit diesem Sebastian die richtige Wahl getroffen. Um den Enkel von Hans Pattberg einzustellen, muss man schon sehr verzweifelt sein.
    »Wenn man monatelang sucht und niemanden findet, ist man irgendwann verzweifelt«, murmelte ich vor mich hin.
    Mir wäre ein anderer Pferdepfleger und Reitlehrer auch lieber gewesen, aber den drei Einzigen, die sich außer dem Pattberg-Enkel beworben hatten, war das Gehalt, das ich ihnen geboten hatte, zu niedrig gewesen. Selbst tagelanges Rechnen und Kalkulieren hatte nicht geholfen. Mehr konnte ich nicht bezahlen. Da Sebastian Pattberg im Herrenhaus wohnen würde und deshalb keine Miete zahlen musste - was mich beim Geiz seines Großvaters wunderte -, war er bereit gewesen, für ein geringeres Gehalt auf dem Bungehof zu arbeiten. Heute war sein erster Tag.

2
    W ann immer ich später an die Morgenstunden dieses Tages zurückdachte, erschienen sie mir wie die Ruhe vor dem Sturm. Der  minimale Ärger,  den Susannes Horoskop mir prophezeit hatte, verhielt sich zu den tatsächlichen Ereignissen dieses Tages in etwa so wie ein abgebrochener Fingernagel zu einer abgetrennten Hand. Ganz zu schweigen von dem, was diesem Tag noch folgen sollte.
    Alles begann damit, dass Sebastian Pattberg an seinem ersten Arbeitstag verschlief. Als er um neun Uhr immer noch nicht aufgetaucht war, ging ich zum Herrenhaus und klingelte zaghaft, um mir keinen Rüffel vom alten Pattberg einzuhandeln, der auf zu forsches Klingeln stets sehr ruppig reagierte. Kaum war die Anstandsminute verstrichen, drückte ich erneut auf den Knopf. Dieses Mal ein wenig länger.
    Unpünktlichkeit von Mitarbeitern konnte ich nicht ausstehen. Wie sollte ich mich auf sie verlassen können, wenn sie schon bei so einfachen Dingen versagten? Im Geiste las ich ihm gehörig die Leviten, warf ihm Rücksichtslosigkeit und mangelnde Disziplin vor und stellte seine Kompetenz in Frage. Zum Schluss drohte ich ihm im Falle einer Wiederholung mit dem sofortigen Rauswurf.
    »Komme schon«, hörte ich ihn von drinnen rufen. Sekunden später stand er mir mit einem Lächeln gegenüber, das nicht einmal andeutungsweise eine Entschuldigung enthielt.
    »Guten Morgen.« Ich bemühte mich, freundlich zu klingen, schließlich war ich darauf angewiesen, dass unser Arbeitsverhältnis nicht gleich am ersten Tage endete.
    »Hallo.« Mit geübtem Griff fuhr er sich durch die fast schulterlangen blonden Haare und band sie im Nacken mit einem Band zusammen.
    »Hatten wir nicht acht Uhr gesagt?«
    »Wie spät ist es?«
    »Neun.« Ich schaute auf seine nackten Handgelenke. »Haben Sie keine Uhr?«
    Er schüttelte den Kopf. »Mein Wecker muss stehen geblieben sein, er hat nicht geklingelt. Sind Sie wütend?«
    »Nein.«
    »Sie sehen aber so aus.«
    Kommentarlos drehte ich mich um und ging zum Stall. »Ab zehn Uhr gebe ich Reitunterricht. Bis dahin müssen Sie wissen, was zu tun ist.«
    »Dann nichts wie los«, antwortete er munter.
    Während ich ihm im Büro den genauen Tagesablauf erklärte und die anfallenden Arbeiten unter uns aufteilte, wanderte sein Blick immer wieder zu Susannes Schokoladenkuchen. »Möchten Sie ein Stück?«
    Er nahm meine Frage als Aufforderung. »Das lässt sich ja gut an«, sagte er zwischen zwei Bissen. »Backen Sie jede Woche?«
    »Wir duzen uns hier. Ich heiße Carla.«
    »Basti.«
    »Also, Basti, wenn du etwas nicht weißt oder unsicher bist, frage mich bitte.« Aus dem Regal hinter mir nahm ich einen Ordner. »Hier drin findest du für jedes Pferd einen genauen Fütterungsplan. Solange du den nicht auswendig kannst, schau bitte hinein. Bevor du eine Unterrichtsstunde absagst, vertrete ich dich. Falls das nicht möglich ist, stelle bitte sicher, dass du den Leuten rechtzeitig absagst, damit sie nicht verärgert sind. Das­ selbe gilt für das Training der Pferde.« Was noch? Blitzschnell ging ich in Gedanken alles durch, was zu Verstimmungen führen könnte. »Ach ja«, fügte ich abschließend hinzu, »ich bitte dich, auf dem Bungehof die Finger vom weiblichen Geschlecht zu lassen, egal ob unter oder über achtzehn. Weder möchte ich Ärger mit erbosten Vätern noch mit eifersüchtigen Ehemännern.« Basti war dreiundzwanzig, sprühte vor Lebensfreude und strahlte eine
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