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Nur ein Gerücht

Titel: Nur ein Gerücht
Autoren: Sabine Kornbichler
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dir ein Gespenst begegnet.« Er klang besorgt. »Ich hoffe, daran ist nicht mein Großvater schuld. Er kann manchmal scheußlich sein, aber er meint es nicht so.«
    »Ist er krank?«, fragte ich mit einem winzigen Funken Hoffnung.
    »Großvater?« Er lachte, als habe ich einen guten Witz gemacht. »Wenn einer hundert wird, dann er. An ihm beißt sich noch das heftigste Virus die Zähne aus.«
    »Ich bezweifle, dass Viren so etwas wie Zähne haben«, meinte ich schwach.
    »Ist nur so eine Redensart.«
    »Also nicht krank?«
    Mit Nachdruck schüttelte er den Kopf. »Nur krankhaft geizig, aber daran stirbt man zum Glück nicht. Er tut zwar immer so, als würde er am Hungertuch nagen, aber dem ist nicht so. Wenn er also mehr Geld will, lass ihn abblitzen.«
    »Das mit dem Abblitzen sagt sich so leicht.«
    »Du bist eine gestandene Frau. Du wirst doch nicht gleich nachgeben, bloß weil er mal kurz mit den Ketten rasselt.«
    Es war schon ein bisschen mehr, womit er gerasselt hatte. Mit einem hatte Basti allerdings Recht: Ich war dabei nachzugeben. Anstatt mir zu überlegen, was ich gegen die Kündigung unternehmen konnte, machte ich mir Gedanken darüber, wie sie abzuwickeln war. Entschlossen straffte ich meine Schultern.
    »Ich muss mal kurz weg«, sagte ich im Aufstehen. »Du musst allein die Stellung halten.«
    Obwohl mein Verstand mir sagte, dass es in dieser Sache weder um Minuten noch Sekunden ging, durchsuchte ich zu Hause in Windeseile den Ordner mit den Vertragsunterlagen. Als ich das Schriftstück, das ich vor fünf Jahren voller Zuversicht abgeheftet hatte, endlich in Händen hielt und durchsah, stellte ich betroffen fest, dass richtig war, was Hans Pattberg behauptet hatte. Unter Paragraph vier waren die Gründe aufgeführt, die ihn zur Kündigung berechtigten: sittenwidriges Verhalten, Rufschädigung des Hofes und Ausbleiben der Pacht.
    Da ich nicht vorhatte, kampflos aufzugeben, würde ich einen Anwalt brauchen, und ich hoffte, Christian würde mir einen empfehlen können. Mit dem Vertrag in der Hand schloss ich die Tür hinter mir und fuhr zu Flint's Hotel.
    Ich stürmte in die Halle des reetgedeckten zweistöckigen Hauses, dem man schon von weitem ansah, dass hier bei der Renovierung nicht gespart worden war. Im Gegensatz zu Hans Pattberg war Christian ein Ästhet und alles andere als geizig.
    Außerdem verstand er sein Geschäft: Flint's Hotel war zum Wohlfühlen geschaffen und nicht zuletzt deshalb zu jeder Jahreszeit mindestens zu sechzig Prozent mit Stammgästen ausgelastet.
    Suchend lief ich durch die Halle, wo einige der Gäste auf den gemütlichen taubenblauen Sofas saßen und lasen oder sich unterhielten.
    »Carla?« Christian war aus seinem Büro hinter der Rezeption gekommen.
    »Wie gut, dass du da bist«, sagte ich außer Atem. »Hast du ein paar Minuten Zeit?«
    Er nickte und bedeutete mir, ihm ins Büro zu folgen, wo ich ihm aufgeregt von meinem Gespräch mit Hans Pattberg erzählte.
    Er nahm mir den Vertrag aus der Hand und überflog ihn. »Blödsinn«, sagte er schließlich im Brustton der Überzeugung. »Was auch immer da in ihn gefahren sein mag, die Kündigung ist wirkungslos, solange sie nur mündlich erfolgt. Vielleicht hast du diese Büchse mit Ölsardinen zu wenig gewürdigt, und er hat sich geärgert. Lass die Sache auf sich beruhen, ich glaube nicht, dass da noch etwas nachkommt.« Er reichte mir die zusammengehefteten Seiten zurück. »Ihm wird eine Laus über die Leber gelaufen sein und du warst die Erste, an der er seine schlechte Laune auslassen konnte. Überleg mal, Carla, in dir hat er eine Pächterin gefunden, die seinen Hof sehr erfolgreich führt, weshalb sollte er dir kündigen?«
    Ratlos zuckte ich die Schultern. »Zur Sicherheit möchte ich mich mit einem Anwalt darüber unterhalten. Du hast mir doch einmal gesagt, du hättest einen so guten.«
    Unter dem Telefon zog er ein Adressbuch hervor, schlug es auf, schrieb Name, Anschrift und Telefonnummer auf einen Zettel und reichte ihn mir. »Wenn du mit ihm sprichst, richte ihm einen Gruß von mir aus.«
    »Werde ich tun.« Ich las, was auf dem Zettel stand, und hatte Mühe, mir nichts von meinem Befremden anmerken zu lassen. »Gibt es noch einen anderen, den du empfehlen kannst?«, fragte ich mit belegter Stimme. »Vielleicht einen, der mehr in der Nähe ist?«
    »Falls dir der Weg nach Eutin zu weit ist«, sagte er mit liebevollem Spott, »dann kannst du ihn auch anrufen. Viktor Janssen ist ein sehr netter Mann, der eine
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