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Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:

Titel: Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:
Autoren: Carin Gerhardsen
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vorüber, als sie auf dem Weg zum Kaffeeautomaten an Hamads dunklem Büro vorüberkam. Sie stopfte einen Teebeutel in den bräunlichen Becher und stellte fest, dass sie ihn mit Salz reinigen sollte, um all die alten Ablagerungen wegzubekommen, mit denen die Spülmaschine nicht fertig wurde. Sie stellte ihn in den Automaten und drückte den Knopf für heißes Wasser. Und da kam es – dieses unbehagliche Gefühl, das sich einstellt, wenn man weiß, dass man einen Gedanken nicht zu Ende gedacht hat. Weil man unterbrochen wurde, weil man es nicht konnte, weil man es nicht wollte oder auch nicht wagte. Petra versuchte das Gefühl von sich abzuschütteln, nahm einen Keks aus dem Schrank, obwohl sie eigentlich keinen Appetit hatte.
    Sie nahm den Teebecher und ging zu ihrem Büro zurück. Hielt vor Hamads Tür inne, die geöffnet war und damit zu unangekündigten Besuchen einlud. Aber er war nicht da. Sjöberg und Hamad waren oben am Bjurholmsplan, und nur sie und Eriksson waren noch hier auf dem Flur. Eriksson arbeitete fast immer hinter verschlossener Tür, tat alles, um sich nicht dem Stress einer Begegnung mit einem anderen Menschen auszusetzen. Petra blieb vor der Tür zu Hamads Büro stehen und starrte in die Dunkelheit. Komm zurück, Gedanke, was wolltest du mir sagen? Er war jetzt ganz nahe und klopfte wieder an, aber wollte sie ihn hereinlassen?
    Sie sah sich selbst in einer unheilschwangeren Novembernacht in der Clarion-Bar sitzen, sah, wie sie ein hastiges Lächeln mit einem Narkosearzt tauschte, über Jamals Kopf hinweg. Der einen frühen Abgang machte und sie in den Klauen eines Serienvergewaltigers zurückließ, der sie unter Drogen setzte und zu sich nach Hause verschleppte. Um sie anschließend mit … jemandem zu filmen und zu vergewaltigen. Mit dem anderen Mann. So ein Pech, Jamal, dass du nicht länger geblieben bist, dann hätten wir gemeinsam aufbrechen können.
    Sie sah sich selbst mit Jamal im Durcheinander des Pelikan sitzen. Laut, gemütlich, warm und herzlich. Wie immer mit Jamal. Sie hätten auch von dort gemeinsam aufbrechen können, aber er hatte andere Pläne. Er wollte nicht die U-Bahn nehmen, sondern zu Fuß nach Hause gehen. Nach Hause?
    Nach dem Seminar hatten sie gemeinsam trainiert, aber hatten sie das wirklich? Manchmal, manchmal auch nicht. Manchmal sah sie ihn nicht, wenn sie mit ihren Maschinen und Gewichten kämpfte. Während sie im Nebenraum den Sandsack boxte, war er noch bei den Geräten. Oder? Als sie duschte, duschte er auch, aber wie lange dauerte das bei ihm? Dreißig Minuten, wie bei ihr, mit dem schulterlangen Haar, das gewaschen und geföhnt werden musste? Oder zehn Minuten, wie bei allen Jungs?
    Und seine Wärme, seine Blicke, seine Art, sie anzufassen? Was bedeutete das? Seine Art, ihr nah zu sein und trotzdem so schwer zugänglich? Nah und fern. Er war frisch geschieden, aber sie wusste gar nicht, warum genau. Wie gut kannte sie ihn eigentlich? Sehr gut und gar nicht.
    Petra warf einen Blick zurück in den Korridor, schlich sich in Jamals Büro und zog die Tür hinter sich zu. Durch die Dunkelheit tastete sie sich bis zu seinem Schreibtisch vor und setzte sich an seinen Computer. Zog die Maus ein paarmal vor und zurück, bis der Bildschirm ansprang und der Rechner das Passwort verlangte. Jamal änderte nie sein Passwort: Maryam, der Name seiner Mutter. Petra ging schnell seine E-Mails durch, fand aber zu ihrer Erleichterung nichts von Interesse. Dann klickte sie sich in den Ordner »Meine Bilder«, aber dort gab es nur den Standardordner »Beispielbilder« mit den üblichen Bildern von Bergen, Sonnenuntergängen, Blumen und Landschaften. Sie wollte sich gerade wieder ausloggen, als irgendetwas sie dazu bewegte, den Ordner mit den Beispielbildern zu öffnen. Und da war es, die letzte Datei, das Bild von ihr in Peder Fryhks Bett, das Bild, das an den Polizeidirektor geschickt worden war.
    Petra holte tief Luft, wusste nicht, was sie machen sollte. Nachdem sie eine Weile mit Tränen in den Augen nachgedacht hatte, löschte sie das Bild, leerte den virtuellen Mülleimer und meldete sich ab. Sie hatte keine Idee, wie sie mit diesem Fund umgehen sollte.
    Sie stand auf und wollte gerade das Büro verlassen, als ihr Mobiltelefon klingelte. Es leuchtete ihr den Weg, als sie schnell zur Tür ging, sie öffnete und so leise wie möglich auf den Korridor hinaustrat, bevor sie den Anruf beantwortete.
    »Jens?«, sagte sie, aber es meldete sich niemand.
    Stattdessen hörte sie eine
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