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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman
Autoren: Bernhard Aichner
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Interesse wieder zurück war, dass er wieder begonnen hatte zu lesen.
    Das war vor vier Monaten.
    Atze kam an den ersten drei Tagen am Nachmittag nach der Arbeit, am vierten Tag ging er wieder in den Biergarten. Auch als Olivier wieder gesund war, tranken sie nicht mehr zusammen. Olivier ging nach der Arbeit heim zu seinen Büchern, zu Herta, die regelmäßig zu ihm kam. Sie aßen gemeinsam und diskutierten über Artikel und Bücher, sie lernten sich kennen. Sie machten Spaziergänge und telefonierten. Oft die halbe Nacht lang.
    Olivier rief sie auch an, als er in Schwabing seinen Fund machte.
    Das war gestern.

3.
    Yves Klein starb mit vierunddreißig Jahren an drei Herz­infarkten.
    Ein Franzose. Und er hatte blaue Bilder gemalt. Monochrom. Nur blau.
    Du musst es sehen, hat Jo immer gesagt. Keine Abbildung ist gut genug, um zu zeigen, wie es wirklich ist, diese Kraft, diese Farbe. Seine Farbe.
    Jo konnte stundenlang reden über Yves Klein, er hatte alles gelesen. Er verbrauchte Tage dafür, Wochen, Monate. Er war in Ausstellungen und Museen, er reiste durch ganz Europa, um sie zu sehen, diese blauen Bilder.
    Und Mosca mit ihm.
    Ich liebe ihn, hat Jo gesagt, ich liebe diesen Mann, schau ihn dir an, Mosca.
    Sie standen vor einer Fotografie in Madrid. Klein sprang aus dem ersten Stock eines kleinen französischen Häuschens, in einen schwarzen Anzug gehüllt schwebte er in der Luft. Unten die Straße und ein Radfahrer, wie er am Ende der Straße dahinfährt, ohne zu sehen, was hinter ihm ist. Yves Klein in der Luft, wie er aufsteigt statt zu fallen, elegant, voller Lebensfreude.
    Sie standen vor der Fotografie und umarmten sich.
    Schau ihn dir an, sagte Jo. Er ist frei. Da ist nichts, was ihn hält. Er springt in die Leere, in den leeren Raum, in die Unendlichkeit. Dort ist die Freiheit, sagte Jo.
    Dort ist das Blau.
    Mosca mochte diese Fotografie. Er verstand sie.
    Mit Malerei hatte er nie etwas zu tun gehabt. Es hatte ihn nie berührt, Bilder anzuschauen, sich in ihnen zu verlieren. Doch Jo öffnete ihm die Augen. Er riss sie auf, jeden Tag ein Stück mehr. Er begann hineinzuschauen, sich die Zeit zu nehmen einzutauchen. Jo erklärte ihm alles. Die Kunstgeschichte der letzten fünfzig Jahre, die Amerikaner, die Europäer nach dem Krieg, Yves Klein.
    Ich liebe diesen Mann, sagte er wieder. Schau ihn dir an, wie er da in der Luft liegt. Levitation nannte er das, das freie Schweben im Raum, ohne Grenzen, frei von allen psychischen und physischen Beschränkungen. Wie er seine Arme zum Himmel streckt, wie er nach oben springt, wie er eintaucht. Er hat die Kunst neu erfunden, sagte Jo. Er hat alles neu erzählt. In blau. In seinem Blau. Das internationale Klein-Blau.
    Mosca hat Jo von der Seite angesehen und zärtlich seine Hand genommen.
    Ich liebe dich, hat er gesagt.
    Das war vor fünf Jahren.
    In der Galerie in Madrid, kurz nachdem sie sich kennen gelernt hatten. Jo wollte sie sehen, die Originale.
    Sie reisten herum, von Bild zu Bild. Sogar private Sammler suchten sie auf, nur um dieses Blau zu erleben. Mosca ließ sich führen von Jo, er ließ sich verzaubern von ihm, von dieser Begeisterung, mit der er von allem sprach, das mit Klein zu tun hatte. Jo war wie ein Geschenk.
    Chemielaborant hätte er werden sollen. Jo hatte in einer Fabrik gearbeitet, die Lösungsmittel herstellte. Nach zwei Jahren hat er seine Ausbildung abgebrochen. Er würde hier nicht überleben, das wusste er. Jeden Morgen hinein in die Dämpfe und bis zum Abend tief in dumpfer Arbeit. In einer Firmenbroschüre las er den Namen Klein zum ersten Mal. Klein hatte Rhodopas verwendet, um seine Farben anzumischen, eines der Produkte, durch die die Firma groß geworden war.
    Jo nahm Moscas Hand in Madrid. Er berührte sie sanft, die Finger waren ineinander. Sie standen vor den Bildern, Jo hatte ein Buch in der anderen Hand. Mosca hörte zu. Immer hörte er ihm zu. Jo las.
    Zur Herstellung des 1960 patentierten internationalen Klein-Blaus verwendete Klein M/ M60A . Da alle bekannten Bindemittel den Pigmenten ihre Leuchtkraft nahmen, war Klein auf der Suche nach einer neuen Möglichkeit, die reinen Pigmente auf dem Untergrund haften zu machen. Über ein Jahr lang experimentierte Klein mit einem befreundeten Chemiker und fand schließlich die optimale Rezeptur.
    Jo schaute Mosca an.
    Das habe ich auch gemacht, mein Lieber.
    Lies weiter, sagte Mosca und starrte die Bilder an.
    Jo las ihm vor. Absatz für Absatz. Er versuchte ihm zu erklären, was diese
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