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Nur Blau - Roman

Nur Blau - Roman

Titel: Nur Blau - Roman
Autoren: Bernhard Aichner
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Händen.
    Mosca sagte später, er solle die Rollen doch auswaschen, doch Jo warf sie weg, wie Klein. Es war keine Zeit da zum Waschen, es war nicht wichtig, er musste das Blau auftragen, bevor es eingetrocknet war. Mosca sammelte die Rollen in einem Kübel und wusch sie aus. Jo neben ihm.
    Du musst das nicht tun, sagte er.
    Mosca lächelte. Doch, ich muss, sagte er.
    Die Formate der Bilder entsprachen denen Kleins. Er übernahm die Maße aus verschiedenen Katalogen, er kopierte Tag und Nacht. Bis das Geld ausging. Er wohnte noch bei seiner Mutter, er kannte Mosca noch nicht, am Anfang. Er zog durch Cafés und Bars mit Plastikschlüsselanhängern und Kärtchen, auf denen stand, er sei taubstumm und er bitte um den Kauf eines Anhängers, er appelliere an die guten Herzen.
    Wenn Sie fünf Euro bezahlen, haben Sie ein gutes Herz, stand da.
    Er wanderte von Café zu Café. Seine Hände waren voll Farbe, seine Finger waren blau. Er kam direkt von seinen Bildern, aus seiner blauen Welt heraus, riss sich los für wenige Stunden. Er musste sich zwingen aufzustehen, Geld zu verdienen, hinauszugehen, weg von dem Blau, zu den Tischen und die Karten hinlegen und die Anhänger. Er schaute traurig. Er war taubstumm. Sein Gesicht war ohne Ausdruck. Er konnte nichts hören, nichts reden. Er reagierte nicht auf Gepolter hinter ihm, auf das Fallen von Gläsern, auf gemeine Sprüche in seinen Rücken hinein. Er war taub und verkaufte Anhänger mit blauen Fingern.
    Mosca trank Bier in einem braunen Ledersofa.
    Es war eine angesagte Jazz-Bar. Mosca war Literaturkritiker, er ließ sich gerne gehen, bis zu einem gewissen Punkt. Er lebte alleine. Er war schön in seinem olivgrünen Anzug. Er schaute Jo an, er fixierte ihn, sein Gesicht, seine Augen.
    Er saß nur da und schaute ihm zu, wie er von Tisch zu Tisch ging und die Anhänger hinlegte, und wie er auf ihn zukam. Er beugte sich nach vorn, nahm den Anhänger in die Hand und schaute Jo an.
    Er sieht gut aus, dachte Jo, so elegant, wie er dasitzt, fast arrogant, wie er mich anstarrt. Er ist mindestens fünfzehn Jahre älter als ich. Und er ist schwul, das ist sicher. Er steht auf junge Männer, er will mich.
    In diesem Moment spürte er Moscas Schuh in seinem Schienbein. Hart war der Tritt, alles brannte. Laut schrie er auf, holte aus und schlug seine Hand in Moscas Gesicht. Er schrie.
    Bist du wahnsinnig, Spinner, was soll das, mein Fuß.
    Die Menschen in der Bar starrten zu dem Sofa, zu Jo, zu Mosca.
    Der Taubstumme hatte geredet, ein Wunder war geschehen. Mosca griff auf seine Wange. Er begann laut zu lachen.
    Setz dich, sagte er, trink mit mir. Wir müssen deine Heilung feiern. Das ist ein guter Tag.
    Jo überlegte nicht und setzte sich.
    Ein Wunder, sagte Mosca.
    Ist schon gut, sagte Jo.
    Das war vor fünf Jahren und neun Monaten.
    Vor zwei Jahren holten sie das Bild aus Warschau.
    Nach nur zehn Stunden waren sie in Frankfurt.
    Mosca hatte französischen Rotwein in teure Gläser gegossen, im Hochhaus, im zweiunddreißigsten Stock, in ihrer Wohnung, in ihrer sicheren Welt. Sie standen umarmt da und schauten in das leuchtende Blau.
    Sie standen und schauten. Jo war glücklich.
    Es war wie in einer exklusiven Galerie. Nicht nur die Wände waren weiß, auch der Boden, weißer Marmor, eine weiße Couch, ein weißer Tisch. Und nur die blauen Bilder. Elf Bilder, wie in der Mailänder Ausstellung. Zum ersten Mal hatte Klein dort seine blauen Monochrome gezeigt. Es war sein erster Schritt, um die Welt blau zu tränken. Jo hielt das Glas und Moscas Hand. Elf Tafelbilder in der Größe von 78 × 56 Zenti­meter. Und eines davon war ein Original, es hing neben Jos Kopien. Er hatte es auf die leere Vorrichtung gehängt. Alle Bilder standen von der Wand ab, circa fünfzehn Zentimeter, sie bekamen dadurch noch mehr Tiefe, sie schwebten im Raum. Die Hängung, die abgerundeten Kanten und Ecken der Bilder, alles war so, wie Klein es wollte. So, wie er die Bilder in Mailand ausgestellt hatte. Alle zehn Kopien glichen dem Original. Es waren perfekte Duplikate, es war ein perfektes Arrangement. Ein Laie wäre nicht imstande gewesen, das Original unter den Kopien zu finden. Auch ein Kenner nicht. Jos Arbeiten waren perfekt.
    Der Augenblick war perfekt.
    Jo tauchte in Blau.
    Mosca schwamm neben ihm. Er ahnte, was Jo meinte, er spürte, was in dem Bild war, er kam dem nahe, aber er konnte diese Faszination, die Jo empfand, nicht mit ihm teilen. Nicht bis zum Ende. Er sah zwar das Leuchten, das Blau, das
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